Gottes Liebe und Erziehung

Gottes Liebe und Erziehung oder:
Unverstandene Liebe Gottes

Von Pastor Wolfgang Wegert ©
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Predigttext: "Alle, die ich liebhabe, die überführe und züchtige ich. So sei
nun eifrig und tue Buße!" (Offenbarung 3,19)

"Ihr habt das Trostwort vergessen, das zu euch als Söhnen spricht: Mein
Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn und verzage nicht, wenn du von
ihm gestraft wirst. Denn wen der Herr liebhat, den züchtigt er, und er
schlägt einen jeden Sohn, den er aufnimmt." (Hebräer 12,5-6)


Wir haben in der Predigtreihe über die Liebe Gottes einerseits von der
allgemeinen Liebe Gottes zu allen Menschen gesprochen und andererseits auch von
der besonderen Liebe zu Seinen Kindern, die sich in ihrer Errettung
manifestiert. Unser Textwort in Offenbarung 3,19 spricht nun von der Liebe Gottes, die
Er pädagogisch an den Glaubenden offenbart, in Seiner Erziehung. In Hebräer
12,6 heißt es ähnlich: "Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er, und schlägt
einen jeden Sohn, den er aufnimmt." In Gottes Erziehung wird nicht immer Seine
Liebe als Ursache gesehen. Aber von unserem Text her müssen wir festhalten:
Wenn Gott Seine Kinder erzieht, ist das nicht autoritäre Unterdrückung,
Willkür oder gar Terror und Mißhandlung. Nein, es geschieht vielmehr aus tiefer
Liebe zu uns.

I. Die erziehende Liebe Gottes kümmert sich um die Glaubenden. Es heißt:
"Alle, die ich liebhabe, die überführe ich." Hier ist nicht von der allgemeinen
Liebe Gottes zu allen Menschen die Rede, sondern von der besonderen Liebe zu
den Seinen. Um es noch einmal kurz zu illustrieren: Ein natürlicher Vater hat
selbstverständlich alle Kinder der Welt gern. Und doch hat er zu den eigenen
Kindern eine besondere Beziehung, eine besondere Liebe. Das ist ganz
natürlich. Und das zeigt uns die Bibel auch in bezug auf Gott. Deshalb steht hier
dieser Ausdruck: "Alle, die ich liebhabe." Der Text sagt nicht: "Ich züchtige
alle Menschen, ich erziehe sie alle", sondern: "ich erziehe alle, die ich
liebe." Die Kinder Gottes, die Glaubenden und die es noch werden sollen, die
überführt der Herr von ihrem Ungehorsam und von ihren Irrwegen.

Das heißt: Gott fängt nicht sogleich mit der Strafe an, sondern Er nimmt
sich Zeit und will Seine Kinder aufklären. Das Wort "überführen" kann man auch
mit "überzeugen" wiedergeben. "Alle, die ich liebhabe, die überzeuge ich,
denen erkläre ich, wo ihre Sünde, wo ihr Ungehorsam ist." Gott bespricht mit
Seinen Kindern in Ruhe ihr Leben. Er spricht über ihr Versagen mit ihnen. Er
liebt sie. Sie liegen Ihm am Herzen. Er möchte sie fördern, schulen und
voranbringen.

Nur verantwortungslose und lieblose Eltern nehmen sich keine Zeit, ihren
Kindern eine gute Erziehung angedeihen zu lassen. Sie entschuldigen sich, indem
sie sagen: "Unsere Kinder sollen liberal aufwachsen." Sie sprechen sich für
eine antiautoritäre Erziehung aus und möchten gerne, daß die Kinder sich frei
entfalten. Was dann dabei herauskommt, sehen wir immer wieder auch in unserer
Gesellschaft. Statt selbstbestimmte junge Menschen zu werden, verwahrlosen
Kinder oft, wenn man sie immer nur machen läßt, wozu sie Lust haben. Am Ende
gibt das ein Debakel. Sie werden fernseh- und videosüchtig, bleiben in der
Internet-, Handy- und Spiele-Falle hängen, stürzen sich früh in Schulden, werden
abhängig von Zigaretten, Alkohol und Drogen und werden somit auch häufig
Opfer ihrer eigenen kriminellen Karriere. Das ist das Ergebnis hemmungsloser
freier Entfaltung, das Ergebnis der Verantwortungslosigkeit von Eltern, die sich
nicht um ihre Kinder kümmern, die ihre Kinder nicht überführen und mit ihnen
reden und sich Zeit nehmen.

Gott möchte, daß es mit Seinen Kindern zu einem guten Ende kommt. Sie sollen
tüchtig werden. Sie sollen stark werden im Glauben, in der Liebe, in der
Geduld, in der Selbstbeherrschung. Gott möchte, daß sie die Früchte des Heiligen
Geistes in ihrem Leben erfahren und hervorbringen. Sie sollen für andere
Menschen ein Segen sein und auch das eigene Leben meistern lernen. Deswegen
erweist sich Gottes erzieherische Liebe zu Seinen Kindern darin, daß Er sie
überführt. Er nimmt sie in Seine Schule, daß sie fähig werden für das Leben in
dieser Zeit und auch in Ewigkeit.

Gott beginnt also mit der Überzeugung. Er straft nicht, ohne aufzuklären. Er
redet erst mit ihnen. Es gibt ein wunderbares Bibelwort in Hosea 2,16:
"Darum siehe, ich will sie locken und sie in die Wüste führen und freundlich mit
ihr reden." Bevor ich meine Kinder in irgendeiner Form bestrafte, wenn es
notwendig war, habe ich die Angewohnheit gehabt, sie in ein anderes Zimmer zur
Seite zu nehmen. Gott gab mir Gnade, daß ich das mit großer Ruhe tun konnte.
Und dann habe ich mit ihnen erst einmal in Ruhe gesprochen. Manchmal wußten sie
schon Bescheid. Und doch habe ich es ihnen erklärt. Ich wollte sie
überführen, denn ich hatte sie lieb. Manchmal merkte ich, daß sie verstanden hatten,
und die Strafe konnte entfallen. Manchmal mußte sie aber trotzdem noch gegeben
werden. Ich habe das Empfinden: So geht auch Gott mit Seinen Kindern um.

Viele strafen aus Erregung heraus und werden dabei nicht selten
unbeherrscht. Dann dient die Strafe aber nicht dem Kind, sondern eigentlich den
Erziehungsberechtigten. Sie laden in den Prügeln, die sie aus dem Affekt heraus geben,
ihren Frust ab. Sie reagieren sich an den Kindern ab. So macht Gott das
nicht! Nein, das Ziel von Erziehung und letztlich auch von Strafe ist das Kind.
Das Kind soll gefördert werden, denn es ist doch geliebt vom Vater.

Wie überführt und überzeugt der Herr die, die Er liebhat? Er redet durch den
Heiligen Geist mit Seinen Kindern, durch das Wort der Bibel im besonderen.
Welch eine Liebe ist es, daß Gott uns Seine Heiligen Schriften geschenkt hat.
Durch sie überführt Er und leitet uns in die Wahrheit, daß wir unsere
Verfehlungen erkennen und sehen, wo wir im Widerspruch zum Willen Gottes leben.

Ich erinnere an die dramatische Geschichte von David (2. Samuel 11-12).
Dieser Mann hatte königliche Vollmachten und war Regent über Israel. Wer hätte
ihm etwas sagen können? So nahm er sich Batseba, eine fremde Frau, und schlief
mit ihr. Als sie schwanger geworden war, ließ David ihren Mann Uria an der
Front töten. In Davids Psalmen merken wir, daß er ganz schizophrene Gefühle
dabei hatte. Er wollte es verschweigen, aber seine Gebeine verschmachteten
(Psalm 32,3). Er wollte diese Schuld verdrängen, und doch war sie ihm irgendwie
bewußt. Aber er war der König, er konnte doch alles tun. Heidnische Könige
hätte Gott damit durchgelassen, Gottlose, ja – aber doch nicht David, den
Er liebte, den Er sich nach Seinem Herzen gemacht hatte. Deshalb schickte Gott
den Propheten Nathan – aus Liebe zu David. Nathan erzählte David eine
Geschichte: "Da ist ein reicher und ein armer Mann. Der Reiche hatte ein Fest
organisiert. Er hatte viele Schafe und Rinder, aber er wollte keines von
seinen Tieren schlachten. Sein Nachbar war so arm, daß er nur ein kleines
Lämmlein hatte. Und dieses Lämmlein war wie sein Kind, es wuchs bei ihm in der
Hütte auf. Aber der König ließ das Lämmlein des armen Mannes entwenden und
bereitete es als Mahl für seinen Gast." Da wird David sehr zornig, denn jetzt kommt
sein Gerechtigkeitssinn zum Vorschein. – Ich habe diese Geschichte so
gern, weil ich erkennen kann, wie Gott uns väterlich überführt und uns von
unseren falschen Wegen zu überzeugen sucht. – Aber Nathan muß David
sagen: "David, ich kann deine Erregung verstehen. Aber du selbst bist der Mann!"
Da fiel es David wie Schuppen von den Augen.

Heute bin ich dein Nathan. Heute spricht Gott durch mich schwachen Menschen
in Verbindung mit dem Wort Gottes zu dir. Weil der Herr Jesus dich liebhat,
darum gibt Er dir Aufklärung, Unterweisung, Überführung. Gott möchte dich
davon überführen, daß es nicht in Ordnung ist, daß du mit einer Freundin in einem
ungeordneten, zuchtlosen Verhältnis lebst. Manche merken das gar nicht. Sie
denken, Gott sei tolerant und es müsse alles so gehen, wie es allgemein in
der Welt geht. Ich will dir etwas sagen: Den Gottlosen mag noch manches
gelingen. Sie werden bis zu einem gewissen Grad dabei glücklich sein. Aber du doch
nicht. Du bist doch ein Kind Gottes. Dich hat doch der Herr Jesus lieb. Er ist
an dir interessiert, Er kümmert sich. Und deswegen sendet Er dir einen
Pastor. Deswegen sendet Er dir die Bibel, deswegen sendet Er dir den Heiligen
Geist. Weil Er dich liebhat, überführt Er dich, daß es nicht in Ordnung ist, wie
du dein Leben führst, wie du deine Steuer-Erklärung ausfüllst, wie du
permanent Schwarzarbeit betreibst und an der Steuer vorbei deine Einnahmen
einnimmst. Ja natürlich, ich weiß, es wird einfach gesagt: "Die anderen machen das
doch auch. Weshalb soll ich dafür bluten, wenn ich ehrlich bin?" Hinweg mit
diesen Entschuldigungen, die die Welt vorbringt! Es gibt Dinge in deinem Leben,
die akzeptierst du einfach. Wenn du darüber nachdenkst, weißt du, daß es
eigentlich nicht in Ordnung ist, wie du dich verhältst, was du tust, wie du lebst,
wie du sprichst. Aber du duldest das. Du genehmigst dir das. Aber ich sage
dir: Vergiß nicht, daß du einen Gott hast, der dich erzieht. Deswegen
überführt Er. Es entstehen ergreifende Szenen, wenn die überführende Liebe Gottes
Menschen berührt. Ich habe sie gesehen und gehört. Hier in unserem Hause, an
anderen Orten, wo ich dienen durfte. Oft weinen die Menschen vor Gott, und sie
tun Buße, sie ordnen ihr wildes Zusammenleben und stellen es unter Gottes
Gebot und Segen. Sie hören auf mit ihrem Ungehorsam.

Zurück zu David. Als Nathan gesagt hatte: "Du bist der Mann!" (2. Samuel
12,7), antwortete David: "Ich habe mich gegen den Herrn versündigt." Nathan
erwiderte: "So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen. Du sollst nicht
sterben" (2. Samuel 12,13). Und doch strafte Gott den David: "Siehe, ich will aus
deinem eigenen Hause Unglück über dich erwecken und will deine Frauen vor
deinen Augen nehmen und sie deinem Nächsten geben, daß er am hellichten Tag bei
deinen Frauen liegt. Denn du hast es heimlich getan, ich aber will diese Sache
vor ganz Israel und am hellichten Tag tun" (2. Samuel 12,11-12). Aber David
flehte zu Gott wegen des Kindes, das aus diesem Ehebruch hervorgegangen war.
Er fastete und lag über Nacht auf der Erde. Da machten sich die Ältesten
seines Hauses zu ihm auf. Sie hatten Sorge, weil er nicht mehr essen wollte. Er
trauerte so sehr, er hatte so ein schweres Herz, es war eine solche Reue,
solche Buße in seinem Leben. Und doch ließ Gott das Kind sterben. Wir fragen
sofort: "Herr, warum?" Ich habe keine Antwort darauf. Gott weiß es. Aber David
wurde ein Mann, der Gott diente, der zurechtgebracht wurde, der ein Segen für
sein Volk wurde.

II. Gott greift durch. Manchmal geht Gott also weiter. Er überzeugt nicht
nur, sondern Er greift auch durch. Denn es heißt: "Alle, die ich liebhabe, die
überführe und züchtige ich", das heißt: "die strafe ich". Und das scheint
manchmal hart. Aber Gott tut auch das aus Liebe. Vielleicht als Warnung und
Vorsorge für das eventuelle nächste Mal. Jesus Christus will Seine Kinder vor dem
Verderben der Sünde beschützen. Deshalb ist in unserem Text aus der
Offenbarung die Erziehung Gottes ausdrücklich mit dem Ruf zur Buße verknüpft: "Alle,
die ich liebhabe, die überführe ich und die strafe ich. So sei nun eifrig und
tue Buße." Schlage an deine Brust und komm nach Hause zum Vater. Der
Züchtigungen sind genug. Ich weiß nicht, wie es in deinem Leben aussieht. Vielleicht
fühlst du, daß regelrecht ein Fluch auf deinem Leben liegt, daß Unsegen da
ist, daß du nicht zurechtkommst, daß dein Leben kaputt ist, daß du eine
Enttäuschung nach der anderen hast. Du empfindest, daß Strafe über deinem Leben
ist. Prüfe doch eben jetzt, ob nicht Gott Seine Hand schwer auf dein Leben
gelegt hat – wie bei David. Er tut es nicht, um dich zu zerstören, sondern
Er tut es, um dich zurechtzubringen, denn du bist Sein Kind. Das ist eine
Herausforderung. Überprüfe dein Leben. Laß dich überführen, erkenne die Strafe
Gottes und sei eifrig und tue Buße.

III. Das Ziel der Züchtigungen Gottes ist die Überwindung der Sünde, ist
Heiligkeit. Denn direkt vor unserem Predigttext aus Hebräer 12 heißt es: "Ihr
habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden im Kampf gegen die Sünde" (Vers 4).
Gott möchte, daß wir durch die Kraft des Heiligen Geistes die Sünde
überwinden und ein heiliges, Gott wohlgefälliges Leben führen. Das ist Gottes Absicht.
Um das zu erreichen, erzieht Er Seine Kinder. Es gibt Züchtigungen aufgrund
von Ungehorsam und Sünde, wie wir gerade eben am Beispiel von David gesehen
haben. Das habe ich auch selbst erlebt und danke Gott dafür, daß Er in solchen
Lebensphasen durchgegriffen und mir geholfen hat und mich nicht wie ein
fremdes Kind hat weiterlaufen und meinen Lüsten nachgehen lassen. Ich danke Gott,
daß Er mir auch oft mit hartem Eingreifen den Weg gezeigt hat, der recht vor
Ihm ist und der mir geholfen hat. Ja, es gibt eine Strafe Gottes für Sünde,
Ungehorsam und Ungerechtigkeit. Aber für Gotteskinder ist sie nicht zum
ewigen Gericht, sondern zur Erziehung, zur Hilfe und zum ewigen Leben.

Aber es gibt auch Erziehungen zur Vorbeugung, zum geistlichen Training. Wenn
Gott uns züchtigt und erzieht, muß also nicht immer schwere Sünde vorliegen.
Es kann sein, daß Menschen schweres Leid durchleben, obwohl sie eigentlich
– wie auch Hiob – im allgemeinen ein untadeliges, gerechtes Leben
leben. Denken wir an Paulus. Er schreibt in 2. Korinther 12,7: "Damit ich
mich wegen der außerordentlichen Offenbarungen nicht überhebe, wurde mir ein
Pfahl ins Fleisch gegeben, ein Engel Satans, daß er mich mit Fäusten schlage,"
– wozu? – "damit ich mich nicht überhebe." Es lag keine konkrete
Sünde vor. Es heißt nicht: "Ich strafe dich, weil du dies und das getan hast."
Er hatte gar nichts getan. Aber Gott kannte selbst den großen Apostel
Paulus, in dessen Leibe immer noch das Gift der alten Sündhaftigkeit steckte. Er
lebte auch noch in der Gegenwart seiner alten Natur und seines sündigen
Fleisches. Das wußte Gott. Und Gott sah Gefahr in seinem Leben. Gott sieht auch in
deinem Leben eine große Gefahr – zum Beispiel des Stolzes und der
Überheblichkeit. Und damit du nicht kenterst, legt dir Gott Ballast in dein
Lebensboot. Du fragst vielleicht: "Muß ich das tragen, Herr? Das ist unbequem.
Müssen mich Fäuste von Satansengeln bedrängen? Muß ich einen Pfahl im Fleisch
haben?" Dem Paulus antwortete der Herr: "Laß dir an meiner Gnade genügen." Gott
erzog ihn, obwohl gar keine Sünde vorlag. Aber es war eine Vorbeugung. Gott
wußte, daß potentiell auch in diesem Seinem Heiligen die Gefahr der Sünde, des
Hochmuts und der Überheblichkeit lauerte.

Wenn wir das erleben – Enttäuschungen von Menschen, körperliche
Schwachheiten, Angriffe des Feindes, Verleumdungen und Ehrverletzungen –,
müssen wir nicht unbedingt sagen: "Was habe ich getan, daß ich so gestraft
werde?" Denn es kann gut sein, daß Gott bei dir gerade vorbeugend am Wirken ist.
Manche erleiden teils über Jahre, teils ein Leben lang schwerste Bedrückung
und Trübsale – und das nur aus dem Grund, weil Gott sie liebt und Er sie
bewahren will. Er beschneidet ihre alten, sündhaften Triebe, bevor sie
Schaden anrichten. Danke dem Herrn für Seine vorbeugende Zucht. Ein Sprichwort
sagt: "Einen Baum soll man biegen, solange er jung ist." Und Gott biegt dich,
züchtet dich, ja es ist eine Zucht Gottes notwendig, um etwas Edles aus dir
hervorzubringen. "Es ist ein köstlich Ding, daß der Mensch das Joch in seiner
Jugend trage" (nach Klagelieder 3,27). In Zeiten der Krise im späteren Leben
wird er sonst scheitern. Wenn junge Menschen keine Pflichten haben, keine Lasten
und Bürden, sondern nur wolkenloses Glück, wenn jede Belastung von ihnen
fern gehalten wird, dann sind sie so verweichlicht, daß sie später von jedem
Lüftchen umgeweht werden. Das erleben wir manchmal mit jungen und auch älteren
Menschen, die dem Leben nicht gewachsen sind. Das ist aus dem ganz
natürlichen, praktischen Lebensbereich abzusehen. Da, wo es in der Jugend keine Prüfung,
keine Tests, keine Belastungsproben, keine Übungen, kein Training fürs Leben
gegeben hat, scheitern die Menschen im späteren Leben häufig. Aber Gott will
nicht, daß du scheiterst. Darum nimmt Er dich in Seine Schule, Er übt mit
dir ein, wie es ist, wenn du Lasten tragen mußt.

Ich freue mich, daß die Gemeinde Jesu zum großen Teil auch von Christen
lebt, die belastbar sind, die Geduld, Treue und Opferbereitschaft gelernt haben,
die in den Dingen der Charakterformung so stark und gesegnet geworden sind,
daß eine Tragkraft da ist. Es ist etwas Großartiges, wenn es Menschen gibt,
denen man Verantwortung übertragen kann, die Lasten tragen können, die Bürden
bereit sind aufzunehmen, etwas durchzutragen, durchzustehen und am Ende
siegreich daraus hervorzugehen. Wir freuen uns über Christen, die vom Heiligen
Geist geprägt und stark geworden sind an ihrem Herzen, an ihrer Seele, an ihrem
Geist und vorbildlich, einsatzfreudig und tatkräftig das Reich Gottes fördern
und ein heiliges Leben führen.

Woher kommt das? Frag mal diese Menschen, diese bewährten Christen, wie ihr
früheres Leben ausgesehen hat, durch welche Feuer sie gegangen sind, durch
welchen Ofen des Elends sie geläutert worden sind. Frag mal, welche Nöte sie in
ihrem Leben hatten, welche Kämpfe, welche Belastungen, wieviel Tränen sie in
ihrem Leben hatten, wieviel Enttäuschungen da waren. Und du wirst
feststellen: Sie erzählen dir alle die Geschichte ihrer Prüfungen, ihrer Erziehungen,
ihres Trainings, das der lebendige Gott mit ihnen gehabt hat. Deswegen
erkennen wir die Liebe des himmlischen Vaters. "Alle, die ich liebhabe, die
überführe ich und die züchtige ich." Halleluja! Sag doch auch: "Herr Jesus, ich
preise Dich für alle meine Erziehungen an mir!" Danke dem Herrn für alle schweren
Zeiten. "Sagt Gott Dank allezeit für alles" (Epheser 5,20). Denn auch sie
sind ein Ausdruck der Liebe Gottes zu dir.

Liebe Gemeinde, das ist ein Thema, das nicht ganz leicht mitzuteilen ist,
weil wir in einer Zeit leben, in der es kaum ein höheres Ziel in der
Gesellschaft gibt als ein Leben in Unversehrtheit. Es darf uns nicht mehr weh getan
werden, ein Kind in der Schule darf am besten auch keine Arbeiten mehr schreiben
müssen, das wäre ein zu großer Druck und so weiter. Wir wollen uns und
unsere Kinder vor allem Übel bewahren. Wir wollen steril durchs Leben gehen. Aber
ich sage euch: Wenn dann doch mal ein Virus kommt, haut es uns um. Deswegen
ist es ganz gut, vorher ein bißchen geimpft zu werden. Gott impft uns für
kommende Zeiten, damit wir bestehen können, wenn die schweren Stürme des Lebens
kommen. Von Zucht und Erziehung will doch kein Mensch etwas wissen. Wir wollen
es alle nur möglichst bequem haben.

Gott will uns also trainieren. Ich möchte es noch einmal an einem ganz
einfachen Beispiel verdeutlichen. Da ist ein Vater, der ein Kind hat. Und dieser
Vater ist zugleich auch Trainer von Sportlern. Das Kind war ungezogen, und er
sagt: "Kind, jetzt gibt es 14 Tage keine Eiscreme mehr." Zu dem Sportler sagt
jetzt nicht der Vater, sondern der Trainer: "Du, paß mal auf, mit Eiscreme
ist jetzt erst mal Schluß." Er sagt zu dem Kind das gleiche wie zu dem
Sportler, aber mit einer völlig unterschiedlichen Motivation. Dem Kind sagt er: "Du
warst ungezogen. Darum gibt es zur Strafe erst mal kein Eis." Und zu dem
Sportler sagt er: "Iß zur Zeit keine Eiscreme, denn du hast einen Wettkampf vor
dir und mußt dich so gesund wir möglich ernähren." Im Grunde sagt der Trainer:
"Du mußt dich einschränken, Verzicht und Training ist angesagt." So kennt
auch die Bibel diesen Gedanken der Erziehung zu mehr Erfolg, mehr geistlichem
Erfolg, besser gesagt: zu mehr Fruchtbarkeit. Unser ganzes Leben ist eine
Schule für die Ewigkeit. Jeder Augenblick ist von Gott gegeben, daß Er an dir
arbeitet und dich fit macht für Gottes Olympiade, für den "Siegeskranz" (1.
Korinther 9,25).

Christen sind für die Ewigkeit berufen. Aber zuvor gibt es hier auf der Erde
eine Schule Gottes. In ihr muß gelernt werden. Da gibt es Arbeiten und
Prüfungen. Das ist nicht immer leicht. Ich habe kleine Kinder weinen sehen und
auch große und erinnere mich selber an meine Tränen in der Schule. Und ich habe
zu meiner Mutter gesagt: "Mama, muß ich dahin gehen?" Sie hatte mich zum
Gymnasium geschickt, und da sollte ich Latein und Griechisch lernen. Ich fragte
sie: "Mama, wozu brauche ich das?" Aber meine Mutter antwortete immer: "Junge,
du mußt lernen." Ich dachte, sie liebt mich nicht. Und ich dachte auch:
Warum quält mich der Lehrer so? Der mag mich nicht. Doch, doch. Das Schöne ist,
wenn du Eltern und Lehrer hast, die dir dann helfen und vielleicht auch
Nachhilfeunterricht geben. Das tut Jesus auch. So sind wir immer noch in Seiner
Schule. Bei alledem laßt uns bedenken, was uns Paulus schreibt: "Dieser Zeit
Leiden fallen nicht ins Gewicht gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbar
werden soll" (Römer 8,18).

Ich erinnere mich an den Sportunterricht. Da war ich besser als in
Griechisch und Latein. Es gab Schulsportfeste von allen Hamburger Schulen. Und ich
sollte auch getrimmt werden, ich war einer von den Auserwählten. Meine
Mitschüler spielten während dessen schon Fußball. Aber mir legte der Sportlehrer beim
Hochsprung die Latte hoch – elegant konnte ich darüberspringen. Oh,
dachte ich, jetzt kann ich auch Fußball spielen gehen. "Halt," sagt er –
und legte die Latte ein Stück höher. Und das wiederholte sich einige Male.
Schließlich bin ich gegen die Latte gesprungen. Aber selbst da durfte ich noch
nicht nach Hause. Er wollte mich trainieren, fit machen für den Wettkampf.

Wenn unser Vater im Himmel dies mit uns in ähnlicher Weise tut, verstehen
wir Ihn manchmal nicht oder wollen Ihn nicht verstehen. Wir denken, Er wolle
uns ärgern und quälen. Nein, Er will uns fit machen für den Siegeskranz. Wenn
wir das verstehen, stellen wir fest, daß das nichts anderes ist als eine
Investition der Liebe, die Gott in uns als Seine Kinder hineingibt. Er nimmt sich
Zeit, Er investiert Seine Fürsorge, Seine Kompetenz in unser Leben. Er
trainiert mit uns für den Himmel. Und am Ende dürfen wir hören: "Ei, du frommer und
getreuer Knecht, du hast nicht viel geschafft, aber ich habe dir tüchtig
geholfen. Gehe ein zu deines Herrn Freude" (in Anlehnung an Matthäus 25,23).

IV. Darum verachte nicht die Erziehung Gottes. Ihr habt es gehört: "Mein
Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn" (Hebräer 12,5). Das heißt:
Murre nicht gegen sie wie ein dummes Kind in der Schule, wie ich es von mir
selber beschrieben habe. Wenn wir immer und immer wieder fragen: "Warum? Warum?
Warum?", dann verachten wir die erziehende Liebe Gottes. Wir mißtrauen dem
Herrn, wir verdächtigen Ihn, sogar Böses mit uns zu beabsichtigen. Ich gebe ja
zu und die Bibel sagt es auch, daß die Liebe Gottes in Seiner Erziehung
manchmal wirklich schwer zu verstehen ist. Ja, oft bleibt die Liebe Gottes eine
unverstandene Liebe. Aber wir leben durch den Glauben. Und deswegen brauchen
wir nicht zu zweifeln, daß Gottes Wege mit uns immer Wege der Liebe und der
Zubereitung und Zurechtbringung sind. Halleluja. Deswegen: klage nicht. Wenn du
die Erziehung Gottes nicht verachten willst, dann sage ich: Versöhne dich mit
deinen Wegen, die Gott mir dir geht. Lebe nicht im Konflikt mit den Wegen
Gottes, die du erfährst. Du reibst dich auf, du murrst, du verachtest die
Erziehung Gottes. "Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum
Besten dienen, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind" (Römer 8,28). Du
verachtest auch die Erziehungsmaßnahmen Gottes, wenn du glaubst, daß du sie
nicht nötig hast, daß du schon vollkommen bist. Du denkst, du bist schon ein
guter Christ und brauchst doch das alles nicht mehr. Nein, lieber Christ,
verachte nicht!

Verachte die Erziehung Gottes auch nicht dann, wenn du siehst, wie andere
erzogen werden. Das ist eine schreckliche Neigung, die auch in uns manchmal
vorhanden ist. Wir sehen, wie ein Mitbruder und eine Mitschwester gerade durch
eine bittere Leidensschule geht. Und uns schmeckt Essen und Trinken. Wir sind
gesund und brauchen nicht ins Krankenhaus. Wir sollten dann nicht
verdächtigend fragen: "Was ist los mit dem anderen?" Verachte nicht die Züchtigungen
Gottes, die Er aus Liebe auch zu den Brüdern und Schwestern hat. Sondern erkenne
Gottes Handeln bei uns allen. Viel eher wirft es eine Frage auf, wenn du in
deinem Leben ständig nur eitel Sonnenschein hast. In unserem Text heißt es
ganz klar: "Denn wenn es Söhne sind und Töchter sind, dann werden sie erzogen.
Aber wenn es Fremde sind, dann werden sie nicht erzogen" (nach Hebräer 12,8).
Wo keine Erziehung ist, da ist wahrscheinlich auch keine Sohnschaft. Wenn es
Menschen immer nur gut geht, gut geht und gut geht und keine Trübsal, keine
Lasten, keine Bürden da sind, dann habe ich große Sorge. Bist du vielleicht
gar kein Kind Gottes? Bist du vielleicht gar kein Sohn oder gar keine Tochter
Gottes? Ist Gott gar nicht daran interessiert, dich zu bessern, dich
zurechtzubringen, dich zu erziehen, dich zu schulen und zu trainieren? Denn wenn du
ein Sohn oder eine Tochter wärst, dann würde doch das Handeln Gottes in deinem
Leben zu sehen sein. Ich will in deinem Herzen nicht Zweifel aufbringen, ob
du ein Gotteskind bist. Sondern ich möchte, daß du von Herzen glaubst, daß du
es bist. Aber wenn wir anderen Christen gegenüber ständig Fragezeichen
machen, dann mache lieber bei dir das Fragezeichen: Was ist los mit dir, daß du
nicht erzogen wirst von Gott? Dreh den Spieß um, sieh den Balken in deinem
Auge, bevor du den Splitter beim anderen herausziehst.

V. Verzage nicht. Murre nicht, verachte nicht die Züchtigung Gottes, aber
verzage auch nicht, wenn du von Gott gestraft wirst. Manchmal verlassen solche
erschrockenen Gotteskinder ganz und gar die Gemeinden. Sie lassen die Flügel
hängen und gehen nicht mehr zum Abendmahl, legen auch die Mitarbeit in der
Gemeinde nieder, weil sie einfach müde geworden sind. Ich sage: Verzage nicht!
Die Erziehungen Gottes, die du erlebst, beweisen doch gerade, daß du Kind
Gottes bist. "Wenn ihr Züchtigung erduldet, so behandelt euch Gott ja als Söhne.
Wenn ihr aber ohne Züchtigung seid, so seid ihr ja unecht und keine Söhne!"
(Hebräer 12,7+8). Aber wenn Not und Ballast und Zurechtweisung und Schulung
in deinem Leben ist, dann verzage nicht, sondern freue dich. "Sondern in dem
Maß, wie ihr Anteil habt an den Leiden des Christus, freut euch, damit ihr
euch auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit freuen könnt mit Frohlocken"
(1. Petrus 4,13).

Manche verzagen auch deshalb, weil ihre Prüfungen und Anfechtungen kein Ende
nehmen. Über Jahre geht es, und es scheint nie enden zu wollen. Sie haben
gebetet und gefleht, und es bewegt sich nichts. Aber es bleibt bestehen, was 1.
Korinther 10,13 sagt: "Gott ist treu, der euch nicht versuchen läßt über
eure Kraft, sondern macht, daß die Versuchung so ein Ende nimmt, daß ihr’s
ertragen könnt." "Alle Züchtigung aber scheint uns für den Augenblick nicht
zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen; danach aber gibt sie eine
friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind" (Hebräer
12,11). Und höre, was von Jesus gesagt ist: "Obwohl er Gottes Sohn war, hat er
doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt" (Hebräer 5,8). Habt ihr das gehört?
An dem, was Er litt, hat Er Gehorsam gelernt.

Die Erziehungen Gottes haben nur ein Ziel: Wir sollen für den Himmel
zubereitet werden. Dort will Jesus uns haben, vollkommen zubereitet. Welch eine
Liebe vom Vater ist Seine Erziehung! Deshalb: Achte nicht gering die Züchtigung
des Herrn. Sag "ja" zu ihnen, nimm sie aus Seiner Hand. Versöhne dich mit dem
Handeln Gottes in deinem Leben. Und dann: Verzage auch nicht in der
Züchtigung, denn sie ist am Ende ein Segen für dein Leben. Der Herr weiß, eure
Anfechtung zu beenden. Er legt keine Last auf, die ihr nicht tragen könnt. Und Er
gibt euch die Kraft. Wir erkennen heute: die Erziehungen Gottes im Leben Seiner
Kinder sind ein Ausdruck Seiner herrlichen, ewigen Liebe.

Amen.

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