| Predigt zum Thema: Lob und Klage Textgrundlage: Matth. 11 Verse 20 – 27 Zwei ganz verschiedenartige Abschnitte begegnen uns in unserem Text. Sicher ist ihnen das auch aufgefallen. Der erste Abschnitt: Klage, Wehrufe und der zweite Abschnitt dann Lobpreis des Vaters. Ich möchte eigentlich versuchen, mit ihnen heute so ein bisschen zu klären: wie kommt es zu diesen gegensätzlichen Aussagen von Jesus, was wollen sie uns heute sagen, und nicht zuletzt, welcher Zusammenhang besteht zwischen beiden Absätzen. Vielleicht wenden wir uns zunächst dem ersten Abschnitt zu, den sogenannten Wehrufen über galiläische Städte. In der Übersetzung der Guten Nachricht ist der Abschnitt, wie ich finde, recht interessant überschrieben. Dort heisst die Überschrift: „Wer nicht hören will ......“ und dann folgen hier nur noch Punkte. Was hier folgen könnte, was man hier anstelle der Punkte einsetzen könnte, das kann sich sicher jeder denken. Aber schauen wir einmal hinein in den Text: Vers 20: „ Da fing er an, die Städte zu schelten, in welchen die meisten seiner Taten geschehen waren, und hatten doch nicht Busse getan. Weh dir Chorazin! Weh dir Bethsaida! „ Vielleicht zu den Städtenamen einige Erläuterungen. Chorazin: eine Stadt etwa 3 km nördlich des Sees Genezareth. Sie war so nah an den See herangebaut worden, wie es die dort vorhandenen Sümpfe erlaubten. Bethsaida lag etwa 2 Fußstunden südlicher. Eine Stadt, die für damalige Verhältnisse zumindest schon eine beträchtliche Grösse hatte. Interessant ist auch, dass die ersten 3 Jünger von Jesus, nämlich Simon Petrus, Andreas und Philippus aus Bethsaida kamen. Aber warum klagt Jesus gerade diese beiden Städte hier so besonders an. Es ist schon fast ein Fluch, den er hier ausspricht. Weh dir ! Von Wundern und Zeichen wird uns ja unmittelbar in diesen beiden Städten in der Bibel nichts berichtet. Aber es ist ja bekannt, dass Jesus sehr oft sich am See Genezareth aufhielt, und dort auch die Leute versammelte. Da beide Städte relativ dicht am See lagen, ist es offensichtlich, dass Bewohner aus diesen beiden Städten immer in grosser Zahl vertreten waren. Auch wenn wir die Wunder Jesu in Kapernaum nachlesen, da wird immer wieder berichtet, dass Jesus auch in den umliegenden Städten wirkte. Wir können also mit Recht davon ausgehen, dass Jesus auch in diesen beiden Städten Zeichen und Wunder getan hat, damit die Menschen sie sahen und umkehrten. Durch die Zeichen und Wunder wollte Jesus den Menschen mit unumstösslicher Deutlichkeit das Eine klar und sichtbar machen: nämlich Gottes Grösse und Gottes Macht. Sie sollten damit den Antrieb, oder ich sage es mal anders, sie sollten den Zündfunken zur Busse bekommen. Gottes Güte, Gottes Freundlichkeit, Gottes helfende Gnade wollte Jesus den Menschen nahebringen. Sicher hatte Jesus viel spontane Begeisterung und Aufregung hervorgerufen. Doch eine ganz wichtige Sache, die Busse, blieb aus. Wir haben es gelesen in Vers 20: „ ....... und hatten doch nicht Busse getan“. Jesus reicht es nicht, wenn er Bewunderung und spontane Begeisterung erntet. Das sind keine bleibenden Früchte. Jesus will im Leben des Einzelnen etwas verändern, etwas neu machen. Ich habe mich beim Nachdenken über diesen Text so gefragt, was wohl unsere Reaktion wäre, wenn Jesus heute durch unsere Stadt gehen würde und Zeichen und Wunder tun würde ? Wie würden wir reagieren ? Würden wir bereit sein, uns verändern zu lassen durch Jesus ? Und Jesus muss die Menschen in Chorazin und Bethsaida ja auch in unserem Text hier beschämen mit den Heiden in den beiden grossen heidnischen Städten Tyros und Sidon. Tyros und Sidon waren damals Städte, auf die jeder Jude mit stolzem Herzen herabsah, weil sie von jeher ein Zentrum, eine Hochburg des Heidentums gewesen waren. Jesus sagt hier in unserem Text: „Wären solche Taten zu Tyros und Sidon geschehen, wie bei euch geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche Busse getan.“ Und weiter heisst es: „ Es wird aber Tyros und Sidon erträglicher gehen am Tage des Gerichtes als euch.“ Ein Ausspruch Jesu an einer anderen Stelle fällt mir hierzu ein: „ Die Blinden werden sehend und die Sehenden werden blind werden.“ Ich denke, dass es wohl die schlimmste aller Sünden ist, Gottes Gnade, Gottes Heil im Leben zu erfahren, und doch nicht zu glauben oder gar abzufallen vom Glauben. Wir müssen in diesem Zusammenhang wohl auch immer wieder mit einem realistischen Blick hineinschauen in unsere Ortsgemeinden. Wie viele sind es, die Sonntag für Sonntag in die Kirche gehen, die fleissig ihre Beiträge bezahlen und doch diesen lebendigen Glauben an Jesus Christus nicht haben, die nicht dieses brennende Verlangen nach der Liebe Gottes, nach der Sündenvergebung, nach immer wiederkehrender Umkehr und Wiedergeburt haben. Ein Pastor, ein lieber Glaubensbruder von mir, hat einmal gesagt: „Das ist Gottes Problem mit uns, dass wir immer alles schon wissen.“ Vielleicht denken wir einmal darüber nach, was wir, als diejenigen, die dieses Geschenk der Gotteskindschaft in Empfang genommen haben, hier für eine Aufgabe haben, nämlich zu beten für die, die immer noch nicht aufwachen wollen. Aber vielleicht gehen wir einmal weiter im Text. Eine Sache, die das Gesagte über die beiden Städte Chorazin und Bethsaida noch bekräftigt, ist der grosse Schmerz, mit dem Jesus dann hier über Kapernaum spricht. Im Vers 23 heisst es: „ Und du Kapernaum, wirst du bis zum Himmel erhoben ? Du wirst bis in die Hölle hinunter gestossen werden.“ Kapernaum, diese Stadt ist wohl allen von Euch bekannt. Die Stadt, wo Jesus wohl die meisten seiner Wunder getan hat. Es mag einem manchmal fast erscheinen, als wenn Jesus damals diese Stadt bevorzugt hätte. Doch trotz dieser vielen Zeichen erreicht Jesus bei den Menschen auch hier keine durchgreifende Umkehr. Man spürt es den Worten förmlich ab, wie Jesus hier leidet. Man spürt förmlich wie er leidet unter der Tatsache, dass seine Liebe kaum geholfen hat und das Gericht vielleicht sogar noch vergrössert wird Doch Jesus litt nicht nur. Auch dann, wenn er das Urteil gegen Israel spricht, ist er doch von ganzem Herzen mit Gottes Regierung einverstanden. Nicht ohne Grund ist uns deshalb, wie ich denke, auch dieser sich unmittelbar anschliessende 2. Abschnitt unseres Bibelabschnittes gegeben. Zu derselben Zeit heisst es hier, also unmittelbar danach. Wenn Jesus auf das sieht, was die Menschen tun, so erfasst ihn der Schmerz und der Zorn und er muss diese harten Worte aussprechen, die wir ab Vers 20 gehört haben. Wenn Jesus dann aber, wie hier ab Vers 25 auf den Vater sieht, der alles regiert und lenkt, dann wird er erfüllt von vollkommender Freude und von Dankbarkeit. Es wäre schön, wenn wir diesen Blickwinkel auch gewinnen könnten. Dass wir auch mal klagen dürfen, wenn wir auf die Menschen in der Welt blicken, auf so manches Unrecht, auf Gewalt, aber dass wir dann auch immer wieder dahinkommen, dass unser Herz mit Dankbarkeit und Lob gefüllt wird, wenn wir auf ihn schauen, auf den, der Macht hat auch über die Menschen, die vielleicht so viel Böses tun, die uns in bestimmten Lebenssituationen vielleicht auch manchmal ganz schön zu schaffen machen. Ich denke, dass wir, genau wie Jesus damals, im Endeffekt doch immer wieder zum Lobpreis kommen müssen. Weiter in unserem Text: da heisst es in Vers 25: „ ... dass du solches den Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.“ Sicher tat es Jesus auch ein stückweit weh, dass die, welche sich für weise, gelehrt und schriftkundig hielten ihn stets gemieden haben, ihn letztendlich dann ja auch nicht erkannt haben. In den Evangelien können wir es immer wieder lesen, dass es gerade das einfache Volk war, welches ihm nachfolgte. Gerade in ihnen, den Unmündigen, wie sie hier bezeichnet werden ( in der Guten Nachricht sind sie mit Unwissenden übersetzt), sieht Jesus hier einen überreichen Ersatz an und kann deshalb vor Gott in den Lobpreis einstimmen. Menschen, die nichts weiter haben, sind offen für die Gnade Gottes. Menschen, die vorher arm waren, dürfen nun beschenkte, reiche Leute sein. Ich denke, Jesus sieht in diesem Zusammenhang auch gerade in seinen Jüngern ein ganz besonderes Geschenk seines Vaters. Auch das waren ja, wie wir wissen, arme Leute aus dem Volk. Und trotzdem ist in diesem Text eine Sache, mit der wir sicher nicht so gleich einverstanden sind: Vers 25: „ Ich preise dich, Vater und Herr, Himmels und der Erde, dass du solches den Weisen und Klugen verborgen hast.“ Was ist das für ein Gott. Will er grundsätzlich alle Weisen und Klugen verdammen ? Haben wir nicht eine weisen und fürsorglichen Vater ? Ich denke, so realistisch müssen wir Gott, unseren Vater wohl auch sehen, der eben nicht nur offenbart, sondern auch verbirgt, der nicht nur gibt, sondern eben auch nimmt. Mir fällt dazu ein Wort aus Jesaja 45 Vers 7 ein. Dort heisst es: „ Der ich das Licht mache, und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin der Herr, der dies alles tut.“ Ich hoffe, ich habe keinen von Ihnen jetzt allzu sehr geschockt. Sicher müssen wir auch dieses Wort im Lichte des Neuen Testamentes anders werten. Es stammt aus einer Zeit, wo Sünde direkt bestraft wurde von Gott. Heute wissen wir: Die Strafe liegt auf ihm, auf Jesus. Und trotzdem müssen wir realistisch bleiben. Fakt ist: Gott bleibt Verwalter des Gerichtes, wenn ich Gott hier einfach mal so bezeichnen darf. Ich denke, dass der Mensch oftmals einen ganz unberechtigten Anspruch für sich erhebt, um bei den Worten meines lieben Bruders zu bleiben: er meint , schon immer alles zu wissen. Der Mensch meint, in seinen Gedanken das Mass zu haben, in das sich Gott einfügen muss. Aber so ist es eben nicht. Gottes Plan mit dieser Welt lässt sich nicht mit menschlichem Verstand, mit dreidimensionalem Denken, wie wir es ja als Menschen haben, erfassen. Gott denkt in ganz anderen Dimensionen, wenn man hier überhaupt von Denken sprechen kann. Gott sagt: Welche ich lieb habe, die strafe und züchtige ich. Lernen wir es doch, auch in seinem Gericht seinen Willen zu erkennen. Nur dann können wir letztendlich auch zum echten Lobpreis kommen. R.L. |