Mose- eine biblische Antiburnout-Geschichte

Mose - eine biblische Antiburnout-Geschichte

Wir haben den Eindruck, der Burnout ist ein Problem der letzten Jahrzehnte.
Stress, Hektik, seelische Überforderung und Erschöpfung lassen Menschen
ausbrennen. Sie sind leer und am Ende ihrer Kraft. Häufig ist es so, dass aus
brennenden Christen und engagierten Mitarbeitern innerhalb kürzester Zeit
antriebslose, entnervte, desinteressierte und ausgebrannte Menschen werden.
Der Burnout trifft in erster Linie Menschen, die idealistisch und
überverantwortlich ihre Arbeit verstehen. Sie bringen sich ein, geben ihr
Bestes, und
wenn dann Enttäuschungen eintreten, sind sie mit ihrem Latein am Ende. Die
Erschöpfung führt zu geistiger und emotionaler Leere. Die
Allzeitbereit-Einstellung ist eine Selbstüberforderung und endet in
Ohnmachtsgefühlen.
Ein Beispiel eines Überlastungssyndroms schildert uns das Alte Testament:

I Wer war Mose?

Mose war ein genialer Führer und hat das Volk Israel in einem Handstreich
aus Ägypten geführt. Aus der Sklaverei in die Freiheit. Von den Fleischtöpfen
Ägyptens weg in die trostlose Wüste.

- Er war Hirte wie Abel, mit Schafen vertraut. Ein ausgesprochen gelehriger
Sohn am Hofe des Pharao.
. Er war ein Führer wie Abraham.
. Er war ein Lehrer der Nation.
. Er war Priester aus Levis Geschlecht.
Mose war am Hofe des Pharao, des Königs von Ägypten, aufgewachsen. Plötzlich
musste er fliehen, er hatte einen Sklavenaufseher umgebracht. Auf der
anderen Seite des Roten Meeres, im Exil, hatte Mose dann Frau und Kinder, Herden
und Zelte, und da erging jener Ruf Gottes an ihn, der ihm sagte: "Geh nach
Ägypten zurück und führe mein Volk heraus. "
Mose war keine unsterbliche Traumfigur wie James Bond, der nicht
totzukriegen ist. Er ist nicht der perfekte Held, der aus jeder fatalen Lage mit
raffinierten Schachzügen herauskommt. Mose ist ein großer Mann, und doch kennt
er
menschliche Schwächen, kann verzweifeln und am Boden zerstört sein
Mose, der Israel aus Ägypten geführt hat


Mose hört die Leute klagen. Überall standen sie in Gruppen vor ihren Zelten.
Er war verärgert, denn er wusste, dass sie damit den Zorn des Herrn
erregten. Er sagte zum Herrn: "Warum tust du mir, deinem Diener, dies alles an?
Womit
habe ich es verdient, dass du mir eine so undankbare Aufgabe übertragen
hast? Dieses Volk liegt auf mir wie eine drückende Last. Schließlich bin ich
doch
nicht seine Mutter, die es geboren hat! Wie kannst du von mir verlangen,
dass ich es auf den Schoß nehme wie die Amme den Säugling und es auf meinen
Armen in das Land trage, das du ihren Vätern zugesagt hast? Fleisch wollen sie;
sie liegen mir in den Ohren mit ihrem Geschrei. Woher soll ich Fleisch nehmen
für ein so großes Volk? Ich allein kann dieses Volk nicht tragen, die Last
ist mir zu schwer. Wenn du sie mir nicht erleichtern willst, dann hab
wenigstens Erbarmen mit mir und töte mich, damit ich nicht länger die Qual
ausstehen
muss. "
Der Herr antwortete dem Mose: "Versammle siebzig angesehene Männer aus dem
Kreis der Ältesten Israels, die sich als Aufseher bewährt haben, und hole sie
zum heiligen Zelt. Dort sollen sie sich neben dir aufstellen. Ich werde
herabkommen und mit dir sprechen und werde von dem Geist, den ich dir gegeben
habe, einen Teil nehmen und ihnen geben. Dann können sie die Verantwortung für
das Volk teilen, und du brauchst die Last nicht allein zu tragen." (4. Mose
11,10-17)

Zum Text einige Denkanstöße:

Denkanstoß Nr. 1: Mose hat sich überfordert
Der Weg ins gelobte Land ist weit und mit unendlichen Strapazen verbunden.
Hunger und Durst begleiten die Wüstenwanderer. Und die Israeliten werden immer
unzufriedener. Sie meutern, erst wenig, dann nimmt die Rebellion
erschreckende Formen an. Die Israeliten machen Mose, ihren Befreier, für die
skandalösen
Versorgungsprobleme verantwortlich. Der starke Mose gerät in Panik. Seine
seelischen Kraftreserven sind am Ende.

Der Theologe Michael Nüchtern kommentiert diese Lebenskrise des Mose so:
"Versucht man, die Figur des Mose in dieser Geschichte irgendwo in die
Stufenfolge des Burnout-Prozesses einzuordnen, so wird man bei Mose schon ein
sehr
fortgeschrittenes Stadium erkennen. Heilsam für Mose freilich, dass er in
einer Kultur lebt, wo Wut und zerstörerische Wünsche, sogar Todeswünsche, nicht
etwas Verbotenes sind, sondern das auszusprechen erlebt ist." 1

Burnout ist die emotionale Ermüdung und die Erschöpfung, die dann eintritt,
wenn ein Vorhaben nicht den gewünschten Erfolg bringt. Mose hat sich auf den
lebendigen Gott verlassen. Jetzt fühlt er sich im Stich gelassen.
Myron Rush, ein amerikanischer Manager, der selbst einen Burnout erlebte,
schreibt dazu:
"Obwohl Ausbrennen eine unangenehme, schmerzliche Erfahrung ist, können
seine Folgen ausgesprochen segensreich sein. Ausbrennen ist eine Notbremsung
unserer Seele, denn anders kann sie einen ehrgeizigen, zielorientierten
Erfolgsmenschen nicht mehr vor der physischen Selbstzerstörung zum Halten
bringen. Das
Ausbrennen bringt unsere Aktivi. täten und die tägliche Routine so lange zum
Stillstand, bis wir unser Leben neu überdacht, neue sinnvolle Ziele und
Prioritäten gesetzt und unser Gleichgewicht wieder gefunden haben, damit aus uns
wieder produktive Menschen werden können. ,,2

Denkanstoß Nr. 2: Mose klagt Gott an
Es ist tröstlich zu erleben, dass große Gottesmänner es auch fertig bringen,
Niederlagen und große Schwierigkeiten selbst dem Herrn der Welt in die
Schuhe zu schieben. Mose bildet keine Ausnahme. Er klagt munter drauflos.
Sofort im Paradies, nach dem Sündenfall, nimmt diese Schuldverschiebung
ihren Lauf. Adam wird von Gott angesprochen: ,_Was hast du gemacht?" Wie aus der
Pistole geschossen, hält er dem Herrn seine Ausrede vor.
"Ich war es nicht. Die Frau, die du mir gegeben hast, ist schuld. "
Zwei Ausreden in einem Satz. Adam hält sich für untadelig. Aber die Frau,
die Gott ihm zur Seite gestellt hat, ist alles andere als vollkommen.
Sie ist der Versuchung erlegen,
sie hat ihn verführt,
sie hat das Unglück angezettelt,
sie muss zur Rechenschaft gezogen werden.
Eva betreibt dass gleiche schändliche Spiel. Auch sie will es nicht gewesen
sein. Sie denkt auch nicht dran, ihren Kopf hinzuhalten. Sie schiebt die
Schuld auf die raffinierte Schlange.
Die Projektion, die Verschiebung der Schuld auf andere,
- auf die Umstände,
- auf die Gesellschaft,
- auf die Politiker,
- auf das Wetter,
- auf die bösen Nachbarn,
- auf den lebendigen Gott, ist seit dem Sündenfall ein böses
Herausreden geblieben.
Mose ist mit seinen Kräften am Ende, und er macht seinem Herzen Luft. ,_arum
finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last des ganzen Volkes
auf mich legst?"
Die Klage des Mose hat aber auch eine positive Seite. Er redet sich seinen
Kummer von der Seele. Mose frisst nicht alles in sich hinein, wie es viele
Menschen machen und daran ersticken. Mose befreit sich. Wir Menschen brauchen
einen Zuhörer. Wer seinen Kummer mitteilen kann, teilt mit dem anderen seine
Schmerzen. Das Sprichwort bestätigt es: "Geteiltes Leid ist halbes Leid."



Denkanstoß Nr. 3:
Will Mose alles allein machen?
Hat ihn der falsche Ehrgeiz angetrieben?
Hat ihn die Berufung Gottes stolz gemacht?
Glaubt er, nur einer kann die Aufgabe gut und vollkommen lösen?

Will er sich und anderen etwas beweisen?
Viele Chefs und Bosse von Kleinbetrieben, viele Pfarrer von Gemeinden sind
häufig Alleinunterhalter. Sie halten ihren Kurs für richtig. Ungern lassen sie
sich dreinreden.
Die Alleinverantwortung macht ihnen keine Schwierigkeiten - bis der Erfolg
ausbleibt. Die Schwierigkeiten häufen sich, Alleinentscheidungen tragen keine
Früchte, der Erfolg bleibt aus. Die Klagen der Mitarbeiter werden deutlicher.
Mose kann davon ein Lied singen. Hat er nicht mehr den Rat seines
Schwiegervaters Jethro im Kopf? Der hatte längst die Überforderung gespürt und
angeregt: "Du musst das anders anfassen. Es ist einfach zu viel für dich; du
kannst
nicht alles alleine tun. Du reibst dich sonst noch auf, und auch für die Leute
ist es viel zu anstrengend. (...) Wenn du es so machst und Gott seinen Segen
dazu gibt, wirst du unter der Last deines Amtes nicht zusammenbrechen" (2.
Mose 18,18 und 23).
Es gehört Mut dazu, dem Führer des Volkes so deutlich die Meinung zu sagen.
Aber die ganze Familie des Mose hat sich Gedanken gemacht. Der Schwiegervater
spricht sogar von einem möglichen Zusammenbruch. Er hat das Ausbrennen
kommen sehen.



Denkanstoß Nr. 4:
Mose möchte am liebsten sterben
Menschen, die vom Burnout gepackt sind, verlieren die Realität aus den
Augen.
Eine innere Ermüdung setzt ein. Sie verlieren alles Interesse an der Arbeit.
Sie fühlen sich ausgebeutet und verlassen. Das Leben macht keine Freude
mehr. Die Opfer- und Verantwortungsbereitschaft, die sie kennzeichnete, ist
abgeflaut. Selbst
der Glaube an Gott ist ins Schleudern geraten.
Mose ist nicht wieder zu erkennen. Was ist aus dem Helden geworden, der auf
Geheiß Gottes den Stab über das Meer ausstreckt, damit sich die Wasser
teilen?
Kein Hauch eines Zweifels, keine Angst und auch kein Misstrauen.
Mose ist nicht der Einzige, der mit Todesgedanken spielt. Bei dem großen
Propheten Elia erleben wir Ähnliches. Gestern noch hat er auf dem Berg Karmel
furchtlos die Baalspriester abgeschlachtet und den König Ahab im Namen Gottes
in seine Schranken verwiesen. Ein paar Tage später bricht der große Prophet
zusammen.
Er kann nicht mehr, er will auch nicht mehr. Sterben wäre eine Erlösung für
ihn.
Nur selbst will er es nicht machen, Gott soll ihn von der Erde nehmen.
Was Mose umtreibt, hört sich so ähnlich an. "Ich allein kann dieses ganze
Volk nicht tragen, die Last ist mir zu schwer. Wenn du sie mir nicht
erleichtern willst, dann hab wenigstens Erbarmen mit mir und töte mich, damit
ich nicht
länger die Qual ausstehen muss" (4. Mose 11,15).
Das ist die Stimme eines Ausgebrannten. Das ist die Bilanz eines völlig
Resignierten.

Denkanstoß Nr. 5:
Gott lässt Mose nicht im Regen stehen
Gott macht den Befreier Israels auch nicht fertig. Keine Vorwürfe, keine
Anklagen.
Er kennt die Reaktionen eines Ausgebrannten.
Gott kritisiert auch nicht die völlige Realitätsverzerrung, der Mose zum
Opfer gefallen ist.
Wieso muss Mose das Volk allein tragen?
Wieso soll er es wie eine Amme auf seinen Armen ins gelobte Land befördern?

Alles das sind verzerrte Wahrnehmungen eines Ausgebrannten.
Bei Elia erleben wir Ähnliches. Er behauptet, er wäre allein übrig
geblieben. Alle andern Propheten wären vom König Ahab ermordet worden. Aber das
stimmt
nicht.
Elia hat es gewusst, es steht ein Kapitel vorher im 1. Buch der Könige, dass
noch hundert Propheten übrig geblieben sind. Wie kann Elia so etwas
behaupten?
Auch Elia wurde nicht von Gott zurechtgewiesen. Unser Herr kennt seine
Leute, die im Burnout unvernünftig reagieren.
Gott diskutiert nicht mit Mose. Ihm befiehlt er, Verantwortung zu
'delegieren und mit anderen zu teilen. Siebzig angesehene Männer soll er
auswählen, auf
die er seinen Geist ausgießen wird. Und das geschieht.




Denkanstoß Nr. 6:
Vor der Leistung steht das Geschenk
Der Burnout des Mose geht gut aus. Seine Verzweiflung und seine Resignation
lädt er bei Gott ab. Das ist der Weg, aus Selbstüberforderung und Erschöpfung
herauszukommen. Mose ist ein lehrbuchreifes Beispiel, wie ziel orientierte
und starke Menschen ins Ausbrennen geraten können. Helfertypen und
idealistische Macher müssen sich in Acht nehmen, dass sie sich nicht selbst
überschätzen.
Niemals erwartet Gott von uns, dass wir uns kaputtmachen, auch nicht für
ihn. Wir sind seine Werkzeuge, seine Mitarbeiter und seine Kinder. Und seine
Erwartungen wollen uns nicht emotional auslaugen.
Wenn Menschen in den Burnout fallen, haben sie sich in der Regel selbst
überfordert. Sie wollen mehr, als von ihnen verlangt wird.
Sie arbeiten aufopfernder, als es der Auftrag erfordert

Sie hören Erwartungen heraus, die niemand ausgesprochen
hat.
Für uns Menschen und Christen von heute sind solche Geschichten hilfreich.
Die großen Gottesmänner waren keine fehlerlosen Superheiligen. In der
Lebensgeschichte wird
deutlich, dass ihre Gottesbeziehung, die sie in der Tat gelebt
haben, von schweren Glaubenskrisen begleitet war.
Viele Christen glauben, Nachfolge Christi verlange unermüdlichen Einsatz und
Kraftanstrengung bis zum Äußersten. "Ein Christ ist immer im Dienst!"
"Er ist es wert, dass man ihn ehrt und sich in seinem Dienst verzehrt. "
Diese Aussagen zeigen, dass Opferbereitschaft, Leistung und Dienen zum
Markenzeichen eines guten Christen gehören. Unter der Hand wird Nachfolge
- zum Stress,
- zur Schinderei,
- zur Fron,
- zur leidigen Pflicht.

Sehr hilfreich formulierte daher Hans- Hermann Böhm, ehe
maliger Chefredakteur von "Contrapunkt": "vor dem Enga
gement steht das Geschenk.. .Wir sind keine Arbeitnehmer
oder gar Sklaven Gottes, sondern Kinder Gottes, Miterben, Mitbesitzer. Bevor
der Dienst und die Mitarbeit beginnen,
ist schon eine Beziehung da, sind wir als Personen angenom
men und ernst genommen. Die Kinder des Vaters setzen sich auch ein: im ,Haus
des Vaters' - nicht im ,Betrieb des Chefs'.'.]
In Klartext heißt das:
- Vor unserer Leistung steht sein Geschenk, - vor unserem Engagement steht
seine Liebe, - vor unserer Hingabe steht seine Preisgabe.


Das falsche Ehrgeiz- und Leistungsdenken hat viele Christen verkrampft und
unfroh gemacht. Ihnen fehlen die Gelassenheit und der innere Friede. Sie
glauben, für den Herrn zu schaffen. Doch mit dem Kopf wissen sie genau, dass sie
sich den Himmel nicht verdienen können. Wir brennen aus, wenn wir unsere Ziele
durchsetzen wollen.
Wir erleben einen Burnout, wenn wir eigenwillig unsere Grenzen
überschreiten.
Wir können genesen, wenn wir - wie Mose - unsere Enttäuschungen vor IHM
ausbreiten.




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