| Von Pastor Wolfgang Wegert © A: Prophetisch leben Predigttext: "Nachdem Gott in vergangenen Zeiten vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn. Ihn hat er eingesetzt zum Erben über alles. Durch ihn hat er auch die Welten geschaffen." (Hebräer 1,1-2) Wir sprechen zur Zeit über das große Thema "Jesus Christus, unser Mittler": "Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Jesus Christus" (1. Timotheus 2,5). Dieser Mittlerdienst unseres Herrn Jesus vollzieht sich in drei Aufgaben, in drei sogenannten Ämtern. Jesus ist Priester, König und Prophet. Über den Hohenpriester Jesus Christus haben wir gesprochen. Heute geht es um Seinen Mittlerdienst als Prophet. I. Was ist ein Prophet nach der Bibel? Das griechische Verb "prophemi", von dem das Wort "Prophet" abgeleitet ist, setzt sich aus zwei Worten zusammen, nämlich aus "pro" und "phemi", was soviel bedeutet wie "reden", "für reden" oder "von her reden", eigentlich weniger "vorausreden". Auf Gott bezogen könnte man einfach sagen: Ein Prophet ist der, der von Gott her redet. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Er ist ein Botschafter, der die Kunde Gottes, die er empfangen hat, an Menschen weitergibt und somit verkündigt. Wer sind solche Propheten? Mose ist zum Beispiel ein solcher Prophet gewesen, Samuel ebenso, auch die Apostel waren Propheten. Auch die Reformatoren kann man hier mit aufzählen, denn sie redeten ebenfalls von Gott her, sie verkündigten Gottes Evangeliumsbotschaft, und sie waren buchstäblich Reformer wie auch die Propheten des Alten Testamentes. Sie empfingen Botschaft von Gott und fürchteten sich nicht, in Seinem Namen zu reden und zu handeln. Vom Heiligen Geist erfüllte Verkündiger des Evangeliums sprechen auch heute noch von Gott her, und sie sind Seine Boten, ausgerüstet, das Wort Gottes in der Kraft des Heiligen Geistes und mit Freimut zu proklamieren, zu verkünden und somit Gottes Mund zu sein. Sie sind im Alten wie auch im Neuen Testament Erinnerer an Gottes Gebote, Ermahner und Rufer zur Umkehr und Buße. Sie wachen und bewahren das Wort des Herrn. Sie stehen gegen Ungerechtigkeit und Abfall auf. Sie haben den Mut, dafür auch Nachteile in Kauf zu nehmen. Sie verkündigen Gottes Gerichte, aber auch Seinen ewigen Bund und Seine gewaltigen Verheißungen. Sie sind somit Leiter des Volkes Gottes und auch Führer, die den Gott gemäßen Weg weisen. Das versteht die Bibel insgesamt unter einem Propheten. Propheten sind Menschen, die für Gott und von Ihm her reden und eine Botschaft, die sie empfangen haben, weitergeben und verkündigen. Ich sage ganz allgemein: Solche Propheten braucht das Land. Solche Propheten, die in Vollmacht die Rechte des Herrn verkündigen, die Seine Gebote wieder aufrichten und die mit göttlicher Autorität zur Buße rufen und das Evangelium verkündigen. Das ist ein Appell besonders an junge Menschen. Wir kennen die Geschichte, wie Gott den Propheten Samuel berufen hat. Samuel antwortete: "Rede, Herr, denn dein Knecht hört" (1. Samuel 3,9). Das wünschen wir uns, daß Gott in unserem Land, in unseren Völkern Propheten erweckt. II. Bibelworte, die Christus als Prophet herausstellen. Nun haben wir aber gesagt, daß Jesus der Prophet ist. Unser Predigttext sagt es ausdrücklich. Früher hat Gott geredet zu den Vätern durch die Propheten, aber heute redet Er durch Seinen Sohn. Er ist der Prophet, der Prophet der Propheten. "Einen Propheten wie mich", sagt Mose im Auftrage Gottes zu Israel, "wird der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen" (5. Mose 18,15). Das war eine prophetische Rede auf den kommenden Propheten. Und daß dieser eine Prophet, der so sein würde wie Mose, Christus ist, bestätigt Petrus in seiner Predigt, nachdem der Lahme an der Tempeltür geheilt worden war. Petrus nimmt Bezug auf dieses Wort und sagt: "Das ist er, auf den die Propheten geweissagt haben" (vgl. Apg 3,18-26). Als Jesus unter den Menschen war, die Ihn umringten, ergriff sie Furcht, "und sie priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk besucht" (Lukas 7,16). In Lukas 13,33 sagt Jesus selber von sich, daß Er der Prophet Gottes ist. Jesu Dienst auf Erden war gekennzeichnet von prophetischem Wirken. Er sprach von zukünftigen Dingen, von Seinem Leiden, von Seinem Sterben. Denken wir nur an Matthäus 24, wo Er auch die Zeichen der letzten Zeit vor den Augen Seiner Hörer entfaltete. Er redete gewaltig. Sein prophetischer Dienst war über den aller anderen erhoben. "Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst aus." – Er hatte sie empfangen – "Und der Vater, der in mir wohnt, der tut seine Werke" (Johannes 14,10). "Der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und was ich von ihm gehört habe, das rede ich zu der Welt" (Johannes 8,26b). III. In Christus ist aller prophetischer Dienst zusammengefasst und erfüllt, von Anbeginn bis heute und bis zum Ende. Er ist nicht nur der König aller Könige, der Herr aller Herren, Er ist nicht nur der Priester aller Priester, sondern Er ist auch der Prophet aller Propheten. Warum? A. Alle Propheten des Alten Testamentes haben auf Ihn geweissagt. Der kommende Messias war das Thema der alttestamentlichen Propheten. Und was sie geredet haben, war im Kern heilsgeschichtlich und immer auf den kommenden Christus bezogen. Auch neutestamentliche Prophetie muß sich immer an Christus messen lassen. Ein prophetisches Wort in der Gemeinde ohne Bezug auf den Herrn und Sein Wort ist im biblischen Sinn keine Weissagung, sondern höchstens falsche Prophetie. Göttliche Prophetie kommt also immer von Jesus her und führt zu Ihm hin. Er ist der Mittelpunkt jeder geistlichen Mitteilung. Darum betont Paulus: "Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten" (1. Korinther 2,2). B. Jesus ist auch deshalb der größte Prophet, weil alle Prophetie, die irgendwann und irgendwo geschieht, nur durch Ihn geschieht. Nicht nur alle Prophetie bezieht sich auf Ihn, sondern alle Prophetie geschieht durch Ihn. Wir haben schon gehört, daß Christus alles in allem erfüllt. "Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist. Es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm" (Kolosser 1,16-17). Auch alles prophetische Wirken besteht in Ihm und geschieht durch Ihn. Nicht nur die Schöpfung besteht in Ihm und geschah durch Ihn, sondern auch alles geistliche Leben, alles geistliche Wirken, jede geistliche Begabung und Gnade geschieht nur durch den Einen, der höher ist als alle. Name über alle Namen! Christus hat schon im Alten Testament als Prophet gewirkt. Häufig ist dort vom "Engel des Herrn" die Rede. Wer in Gottes Wort, besonders auch im Alten Testament, bewandert ist und die Zusammenhänge etwas versteht, weiß, daß dieser Begriff ein Hinweis auf Jesus ist. Der Bote ist Christus selbst. Wir erinnern uns, daß dieser "Engel des Herrn" zu Abraham sprach, als er seinen Sohn Isaak im Auftrage Gottes opfern sollte (1. Mose 22,11). Schlußendlich blieb Isaak am Leben, und Abraham fand nach dem Gespräch mit dem Engel einen Widder zum Opfer. Der "Engel des Herrn" steuerte diese Geschichte und bewegte auch die Botschaft, die dahintersteckt: Es ist eine Prophetie auf Jesus Christus, den Sohn Gottes, der einst kommen wird, für Sünder zu sterben. Man kann auch die Geschichte von Mose mit dem brennenden Dornbusch nehmen (2. Mose 3,2ff). Der "Engel des Herrn" entfaltet hier eine gewaltige Schau heilsgeschichtlicher Dimension! Wer ist da der prophetisch Handelnde? Ist es Mose? Ist es ein anderer Mensch? Es ist der "Engel des Herrn". Es ist der Christus, der Botschaft bringt von Gott her und somit schon damals ein Prophet ist. Auch Jakob rang einst mit dem "Engel des Herrn" und hat gesiegt. Auch das ist wieder eine wunderbare Botschaft auf das kommende und herrliche Evangelium hin. "Du sollst nicht mehr Jakob, sondern du sollst Israel heißen" (1. Mose 32,29). Christus war auch durch den Mund der Propheten wie Daniel und Hosea aktiv. Es war Sein prophetischer Geist, der durch die Menschen der Bibel geredet hat. Petrus formuliert es so: "Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, auf welche und was für eine Zeit der Geist Christi damals schon deutete" (1. Petrus 1,10-11). Petrus sagt, es war der "Geist Christi", der in den Propheten gewirkt hat und in ihnen ein Ziel hatte, auf das Er hindeutete. Es war Jesus. Jesus, der Prophet im Alten Testament. Die ganze Bibel ist vom Heiligen Geist inspiriert, und sie trägt ein und dieselbe Botschaft, und diese Botschaft lautet: Jesus Christus, der Retter der Welt. Denken wir auch an die Sprüche. Da taucht Jesus als die personifizierte Weisheit von Gott auf (vgl. Sprüche 8), durch die Er wirkt und redet, wie es kein Mensch tun könnte. Auch Jesu Wirken als Mensch auf Erden war nichts anderes als herrliche Prophetie. Wir wissen, daß Seine Worte, Lehren und Gleichnisse prophetisch waren. Aber auch Seine Taten waren nicht die Vorführung von erstaunlichen und umwerfenden Wundern. Gott wollte die Massen nicht mit Phänomenen beeindrucken. Vielmehr lag in Seinen Wundern eine Predigt, eine prophetische Botschaft. Aber auch nach Jesu Himmelfahrt hat Sein Prophetenamt nicht aufgehört. Er wirkte durch die Predigten, durch die Lehren und den Dienst der Apostel immer weiter. Immer wieder bezeugten sie, daß sie nicht aus sich selbst geredet hatten, sondern durch den prophetischen Heiligen Geist. So soll auch der Dienst eines jeden Verkündigers, auch mein eigener, nichts anderes als eine Wiedergabe der Botschaft dessen sein, der sie gegeben hat. Gott möge allen Kanzelrednern und Pastoren vergeben, wenn sie ihre eigenen Gedanken predigen. Wir sind in der Verantwortung vor dem, der uns als Seine Botschafter gesandt hat, Seine Botschaft wirklich sorgfältig, aufrichtig, ehrlich und treu zu übermitteln. So haben es die Apostel in der Gemeinde getan. Es war auch der Christus in Einheit mit dem Vater, der den Verfassern der biblischen Bücher durch Seinen Geist Inspiration gab, so daß sie die heilige und unfehlbare Bibel niederschreiben konnten. Darum wird die Heilige Schrift auch insgesamt "das prophetische Wort" genannt (2. Petrus 1,19). Und in Offenbarung 22,19 wird die Bibel als "das Buch dieser Weissagung" bezeichnet. Wer von diesem Buch der Weissagung etwas hinwegnimmt oder hinzutut, wird die entsprechenden Folgen tragen müssen (Offenbarung 22,18-19). Die Bibel ist ein abgeschlossener Kanon göttlicher Botschaft, in der Gott Seinen heiligen Willen den Menschen kundtut. Alles prophetische Wirken geschieht also durch niemand anderen als durch Jesus Christus allein. In 1. Korinther 12 heißt es quasi als Einleitung zu dem darin aufgezählten Gabenkatalog: "Es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen" (V. 6). Der Prophet Jesus steht hinter und über allem. Christus wirkt kraft Seines Geistes auch prophetisch durch Seine Kinder heute. In der Wiedergeburt ist Jesus mit Seiner ganzen Fülle in das Leben der Glaubenden eingetreten. Und nun legen sie Zeugnis ab, haben Worte der Weisheit, Worte der Erkenntnis, sie weissagen, oder sie leben und handeln einfach nur Gott gemäß. Was immer sie auch tun – Gotteskinder leben prophetisch. Weißt du, daß du mit Gottes Geist erfüllt bist? Wenn ja, wohnt damit auch Sein prophetischer Geist in dir. Und das wird auch prophetische Auswirkung haben. Gottes Wort lehrt uns, daß ein Mensch, der Glied am Leibe Christi ist, mit dem Haupt verbunden und somit auch von Gottes prophetischem Geist erfüllt ist. Das heißt, du bist als Christ alleine schon durch dein Dasein eine Gottesbotschaft für deine Mitmenschen - durch den Geist, der in dir wohnt. Ein christliches Ehepaar lebte durch die Gnade Gottes in glücklicher und gesegneter Beziehung zueinander, während sich die ungläubigen Nachbarn in zerrütteten Verhältnissen befanden. Als es eines Tages zwischen diesen wieder einmal schrecklich krachte, machten sie sich auf und klingelten verstört bei ihren christlichen Nachbarn und riefen: "Wir sind am Ende, bitte sagen Sie uns das Geheimnis ihrer glücklichen Ehe!" Es begann ein Gespräch, an dessen Ende die beiden Streithähne ihr Leben dem Herrn Jesus übergaben. Die beiden Christen wirkten offenbarend für ihre Nachbarn. Ihr Vorbild war prophetisch und somit richtungsweisend. Ich erinnere mich an meine Zeit als Ingenieur. Meine Kollegen führten gern zweideutige und gotteslästerliche Reden – aber nur, wenn ich nicht dabei war. Wenn ich unbeabsichtigt dazukam, war es ihnen peinlich, und sie hörten prompt damit auf. Meine Gegenwart war ihrem Gewissen ein Anstoß. Sie fühlten sich ins Licht gestellt. Ich bin ihnen zu einem Prophet geworden, ohne daß ich ein Wort zu ihnen sprach. So soll durch das Leben eines jeden Christen Licht und Offenbarung entstehen. Denn: "Es ist doch offenbar geworden, daß ihr ein Brief Christi seid, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes…" (2. Korinther 3,3). Wir sehen also, wie Christus als der Prophet aller Propheten auch durch das Leben eines jeden Christen wirkt. B. Jesus – ein Prophet wie Mose Predigttext: "Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen." (5. Mose 18,15) I. Die Einzigartigkeit des Prophetenamtes Christi. "Einen Propheten wie mich ...", sagt Mose. Es besteht also zwischen dem Propheten Jesus und Mose eine Ähnlichkeit. In 5. Mose 18 wird beschrieben, wie Mose auf dem Berg Sinai war. Seine besondere Aufgabe bestand darin, Botschaft in Form des Gesetzes von Gott in Empfang zu nehmen. Das war das erste Mal seit dem Sündenfall, daß Gott wieder konkret zu den Menschen sprach. Aber Er tat es nur durch einen Vermittler, nämlich durch Mose. Zu Beginn hatte Gott mit den ersten Menschen eine sehr enge Beziehung. Sie hatten ungetrübte Gemeinschaft. Dann aber brach die Sünde ein. Als der Tag gegen Abend kühl geworden war und die sonst so beglückende Gegenwart Gottes wieder kommen wollte, versteckte sich Adam mit seiner Frau vor dem Angesicht des Herrn (1. Mose 3,8). Das Gespräch war durch die Sünde also abgerissen. Und so gibt es bis heute keinen natürlich geborenen Menschen, der die Stimme Gottes vernehmen kann. Er kann mit seiner Vernunftbegabung zwar noch an den Werken der Schöpfung erkennen, daß ein Gott ist – und Gott sagt, daß dieses Zeugnis genügt, um schuldig zu sein (vgl. Römer 1,19-20). Der Mensch kann aber nicht mehr die direkte Stimme Gottes hören, er müßte sterben. Und das war das Problem am Berg Sinai. Vom Garten Eden an bis zu Mose war ein großes Schweigen – von einigen Ausnahmen wie Henoch, Noah, Abraham und Jakob abgesehen. Diese in Hebräer Kapitel 11 aufgelisteten Menschen hatten durch eine besondere Gnade einen so starken, visionären Glauben an Christus, daß sie schon damals durch ihn Gottes Stimme vernehmen konnten. Aber ansonsten war Schweigen da, bis zum Sinai. Und das war auch besser so. Denn wenn sündhafte Menschen Gott direkt begegnen, müssen sie aufgrund der Heiligkeit Gottes sterben. Das war der Grund, weshalb Gott uns einen Propheten wie Mose gesandt hat. Denn das Volk hatte ihn von Gott begehrt, aus Furcht vor dem verzehrenden Feuer, das sie um den Berg sahen. Sie sagten zu Mose: "Rede du mit uns, wir wollen hören; aber laß Gott nicht mit uns reden, wir könnten sonst sterben" (2. Mose 20,19). Gott bestätigte das dem Mose, indem Er sagte: "Ja, sie haben recht geredet" (5. Mose 18,17). Und dann weiter: "Ich will ihnen einen Propheten, wie du bist, erwecken" (V. 18-19). Und so ähnlich wie Mose ist uns auch Christus zum Sprachvermittler geworden. Dazu hat Gott Ihn eingesetzt, damit wir nicht sterben. Darin liegt die zentrale Bedeutung des Prophetenamtes Jesu Christi. Mose, Samuel, Nathan, Elia und Elisa, Hesekiel, Jona, Micha, Sacharja, Amos und all die anderen, die Gott für eine bestimmte Zeit als Propheten einsetzte, durch die Er redete – sie waren dennoch alle nur ein kleines Vorzeichen auf den einen großen Propheten, der kommen sollte und auf den hin sie alle geredet hatten. Und so bestätigte Gott auf dem sogenannten Berg der Verklärung: "…Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!" (Matthäus 17,5). Darum auch noch einmal die Worte aus dem Hebräerbrief: "Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles" (Hebräer 1,1-2). Damit ist das alttestamentliche Prophetentum beendet – genauso wie das alttestamentliche Priestertum beendet war, als Jesus kam. So wie kein Priester Aaron mehr nötig ist, so ist auch kein Mose als Prophet mehr nötig, der vermittelnd für uns redet. Denn Jesus Christus ist unser Mittler (1. Timotheus 2,5). Christus ist unser Mittler, der von Gott her zu uns redet durch Sein Wort und Leben. Das sollen wir hören, und nichts anderes sollen wir als Stimme Gottes anerkennen. Jesus ist die Stimme Gottes. Er ist das Wort des Herrn an uns. Durch Jesus Christus und Sein prophetisches Wort haben wir alles, was zu unserem Heil notwendig ist. Weitere Stimmen brauchen wir nicht. Willst du Gottes Reden hören, dann höre Christus durch Sein Wort. Der lebendige Gott hat alles, was Er den Menschen zu sagen hat, in einen einzigen Propheten hineingelegt und in Ihm zusammengefaßt. Durch diesen einen und alleinigen Mund hat Gott Seine volle und unfehlbare Offenbarungsbotschaft für alle Menschen und für alle Zeiten gegeben. Ihn und noch ein paar andere? Nein, auf Ihn sollt ihr hören! Er allein ist auserwählt, Prophet im vollsten Sinn des Wortes zu sein, weil Er allein heilig und rein ist, die Gegenwart eines feuerflammenden Gottes zu ertragen. Er allein kann in der unaussprechlichen Herrlichkeit Gottes wohnen, Er allein kann Gottes Botschaft für uns vernehmen und an uns weitergeben, ohne daß wir sterben müssen. Nur durch Ihn, durch Jesus Christus, kann wieder Gespräch und Gemeinschaft mit Gott entstehen. Jesus macht klar: "Niemand kommt zum Vater denn durch mich" (Johannes 14,6b). So können wir durch Ihn zu Gott wieder sagen: "Abba, lieber Vater" (Römer 8,15). II. Der Unterschied zwischen Christus und den Propheten des Neuen Testamentes. Natürlich kommt in diesem Zusammenhang die wichtige Frage: "Was ist nun aber mit den Propheten, von denen auch im Neuen Testament die Rede ist? Was ist mit der Gabe des Weissagens bzw. mit der prophetischen Rede?" Das ist ein komplexes Thema, welches ich jetzt nicht erschöpfend behandeln kann. Aber einige Punkte grundsätzlicher Art möchte ich des Zusammenhangs und der Vollständigkeit halber doch weitergeben. Worin besteht nun der Unterschied? Es bleibt dabei, es gibt nur einen unfehlbaren Propheten. Nur Sein Wort allein ist untrüglich. Wer dem etwas hinzufügen oder von ihm etwas wegnehmen will, bekommt es mit ernsten Plagen zu tun (vgl. Offenbarung 22,18-19). Hier sehen wir schon den Unterschied. Christus, der Prophet, hat eine vollkommene Botschaft. Die braucht nicht verkürzt zu werden, die braucht nicht ergänzt zu werden, und die braucht auch nicht korrigiert zu werden. Aber das prophetische Dienen in der Gemeinde unterliegt der Prüfung. Aus diesem Grunde muß man sagen: Ein Prophet im Neuen Testament redet nicht unfehlbare Worte wie die Menschen, denen das geschriebene Wort eingegeben worden war. Da ein solcher Dienst beendet ist, bleibt nur noch ein einziger vollkommener Prophet, und das ist Jesus Christus. Wenn wir das nicht beachten, kann es sein, daß wir uns in die Gefilde der Zauberei und der Wahrsagerei hineinbegeben. Als Gott dem Mose dieses Wort, das wir eingangs lasen, gab, geschah das in einer Zeit, in der Israel dabei war, Schlangenbeschwörer, Wahrsager und Zeichendeuter zu befragen. Genau in diese Situation hinein sagt Gott: "Achtung! Ich habe einen Propheten für euch. Den sollt ihr hören. Sein Wort ist unfehlbar." Darum meine ganz praktische Bitte auch an dich persönlich, für die Gesundheit deines Glaubenslebens. Willst du dich vor falschen Propheten schützen und auch vor Aberglauben, vor Magie, vor Esoterik und Zauberei, dann vertraue dein Leben ausschließlich dem Propheten Jesus Christus an, dem Sohn des lebendigen Gottes, und Seinem Wort. Dann bist du auf der sicheren Seite. Und dennoch spricht das Neue Testament auch von Propheten innerhalb der Gemeinde und auch vom prophetischen Reden bzw. Weissagen. Was ist damit gemeint? Zwei wesentliche Punkte möchte ich kurz nennen: A. Ein Prophet des Neuen Testaments hat als erstes die Verpflichtung, sich unter die vollkommene Weissagung der Bibel zu stellen, sie zu lernen und ihrer Erkenntnis und Wahrheit nachzustreben und sie vorbildhaft in der Gemeinde auszuleben und dadurch auch auszulegen – mit Worten und Werken. Ein Prophet in der Gemeinde ist also ein sorgfältiger Diener am prophetischen Wort – sei es in der Gemeinde, im Hauskreis, in der Familie, in der Sonntagsschule. B. Weiterhin besteht das prophetische Wirken im Neuen Testament im wesentlichen in seelsorgerlicher Tätigkeit. "Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung, zur Ermahnung und zur Tröstung" (1. Korinther 14,3). Grundsätzlich umfaßt Prophetie in der Gemeinde drei Aufgabenbereiche: Erbauung, Ermahnung und Tröstung. Es geht also nicht so sehr um die Voraussage der Zukunft. Vielmehr betont Paulus gerade hier im Korintherbrief, daß das prophetische Wirken und Reden in der Gemeinde nichts anderes bedeutet als seelsorgerliche Handreichung zur Auferbauung des Glaubens in der Gemeinde, zur Ermahnung und zur Tröstung. Neutestamentliche Prophetie ist also seelsorgerlicher Dienst – nicht einfach irgendein spektakuläres Gerede: "Wehe, wehe, wehe!" Solche Worte haben keinerlei Kraft zur Auferbauung des Glaubens. Neutestamentliche Prophetie ist Seelsorge. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß die Bibel unter Seelsorge nicht einfach einen Fachbereich versteht, den man lernen kann. Seelsorge ist nicht in erster Linie eine Frage von Fachkompetenz, wie man heute oft meint, sondern sie ist eine Frage der prophetischen Vollmacht. Durch die Gnadengabe der Weissagung bringt der Heilige Geist zurechtbringendes Licht. Und diese Gabe geschieht durch ein schlichtes, zutreffendes Wort, durch eine Danksagung, durch einen Psalm. Durch eine Mitteilung zur rechten Zeit, am rechten Ort werden andere inspiriert, ihr Leben nach Jesus auszurichten. So kann es sein, daß Menschen Seelsorge studieren und von Seminar zu Seminar gehen – und doch im aktuellen Fall keine Antwort haben, weil die Methode und die Formel nicht hilft. Denn jeder Mensch ist einmalig. Gott hat uns nicht in Serie produziert. Niemanden gibt es zweimal, auch nicht den Zwilling. Die Psychologie versucht, uns in Verhaltenskategorien einzusortieren. Aber die Bibel fragt: "Wer kann das Herz ergründen?" (Jeremia 17,9). Es ist Gott allein, der es kann (V. 10). Wenn du wirklich begnadete Seelsorge im Gespräch, im Hauskreis, am Telefon, in der Gemeinde, von der Kanzel geben möchtest, dann kommen wir in der Tat ohne das prophetische Wort nicht aus. Ohne den Impuls, der dem Helfenden gegeben ist, damit dem Hilfesuchenden eine Antwort von Gott zuteil wird, kann Seelsorge nicht zur konkreten Hilfe werden. Geistesgaben sind also nicht die Vorführung von spektakulären Dingen, sondern sind ein schlichtes Handwerkszeug, ein Instrument Gottes, das Er in die Herzen der wiedergeborenen Christen legt – dem einen mehr, dem anderen weniger – , damit sie durch das prophetische Wort ein Wort zur Ermahnung, ein Wort zur Tröstung und ein Wort zur Erbauung haben. Es ging Paulus immer darum, daß Menschen durch Verstehen geholfen wurde. Deshalb sollten durch den Heiligen Geist prophetisch Redende immer mit Worten der Vernunft sprechen, damit bei den Hörern Frucht entstand. Paulus sagte: "Du redest in den Wind, wenn die Leute nicht verstehen, was du sagst" (vgl. 1. Korinther 14,9). Das prophetische Wort ist von ihm wegen seiner seelsorgerlichen Kraft so favorisiert. Von daher wollen wir bezüglich der neutestamentlichen Prophetie nicht so hohe Ansprüche formulieren, als wären wir Propheten wie Elia. Laßt uns nicht so auftreten, als sprächen wir Worte gleich der Bibel. Wer prophetisch redet, ist weder ein Medium, noch befindet er sich in Ekstase. Er redet einfach durch den Antrieb des Heiligen Geistes, der in seinem Innern wohnt. Er spricht, was er von Gott her in seinem Herzen findet. Das formuliert er zu gegebener Zeit mit seinen Worten aus, und Menschen finden dadurch Antwort. So natürlich, aber auch so geistlich ist das. Jede prophetische Rede eines Gotteskindes muß deshalb geprüft werden. Aus diesem Grund halte ich den Ausdruck "so spricht der Herr" nicht für angemessen. Wenn jemand vor ein prophetisches Wort diesen Satz setzt, kommt er mit dem Anspruch der direkten Rede und behauptet quasi, daß unfehlbares Wort gesprochen wird. Im Alten Testament finden wir diesen Satz nahezu dreihundert Mal [das hebräische ‚ko amar JHWH‘ kommt exakt 293 mal vor], parallele Formulierungen nicht eingerechnet. Aber im Neuen Testament gibt es diesen Ausdruck nicht wirklich ein einziges Mal. Dieser Bruch mit dem Beginn der Gemeinde ist doch klar. Die vollkommene Prophetie ist in unserem großen Propheten erfüllt. Und alles, was danach noch nötig ist, ist uns gegeben zur gegenseitigen seelsorgerlichen Hilfe. Die Bibel bezeugt eine große Bandbreite prophetischen Redens. Es beginnt mit "Jesus Christus ist der Herr". Denn diesen Satz sagen zu können, ist bereits durch den Heiligen Geist gewirkt (1. Korinther 12,3). Von dieser Grundgabe her wirkt Gott verschieden. "So gibt es unterschiedliche Gaben, Dienste, Wirkungen" (vgl. 1. Korinther 12,4-6). Ich hörte z. B. von einer Frau, die mit furchtbaren Krebsschmerzen nachts im Krankenhaus lag. Morgens um zwei klingelte ihr Telefon. Es waren Christen in der Leitung, die den inneren Impuls bekommen hatten, ihr gerade in dieser Stunde schwerster Anfechtung Worte des Trostes zu sagen. Sie hörten keine Engelstimme, sie hatten auch kein Traumgesicht, sie taten einfach, was in ihrem Herzen war. Und das war prophetisch. Natürlich gibt Gott auch manchmal einen Traum oder eine Vision. Aber in der Regel geht es nach den Worten des Paulus: "Ein jeder habe etwas" bis hin zu einer Offenbarung. Deshalb, liebes Gotteskind, folge einfach deiner inneren Neigung. Denn dich treibt als Kind Gottes doch der Heilige Geist. Ein Telefonanruf, eine Postkarte, ein Lied, ein Bibelwort – was auch immer es sein mag, es kann prophetisch sein. Trachte einfach danach, daß du anderen zum Segen wirst, daß du ihnen, und vielleicht auch der ganzen Gemeinde, ein rechtes Wort geben kannst, das ermahnt, tröstet und auferbaut. Laß dich erfüllen mit Gottes Geist, laß dich salben und sprich durch ein hingegebenes Leben Worte in eine Situation hinein, die du vielleicht gar nicht kennst. Gott helfe dir und mir dazu. Amen. |