Sterben ist mein Gewinn

Sterben ist mein Gewinn

Von Pastor Wolfgang Wegert ©
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Predigttext: "Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die
du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben
hast." (Johannes 17,24)


I. Dieser Text zeigt uns zunächst DIE SICHERHEIT DER GLÄUBIGEN. Wir dürfen
durch die Fürbitte Christi absolut geborgen sein. Denn der Herr sagt nicht:
"Vater, ich wünsche doch sehr" oder "ich würde es gern haben wollen", sondern
Er sagt: "Ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir
gegeben hast." Jesus erinnert den Vater an den ewigen Gnadenbund, den Vater, Sohn
und Heiliger Geist vor ewigen Zeiten einmal uns zu gut geschlossen haben. Und
nun soll dieser Gnadenbund Wirklichkeit werden.

Wir sind fest davon überzeugt, daß die Gebete Jesu erhört werden. Kann es
vor diesem Hintergrund noch einen Zweifel geben, daß die wiedergeborenen Kinder
Gottes jemals verloren gehen können? Das könnte geschehen, wenn Jesus nicht
beten oder Seine Gebete keine Erhörung finden würden. Aber wenn es möglich
wäre, daß Jesu Gebet nicht erhört wird, dann würde ich gar nicht erst anfangen
zu beten. Wenn Jesu Gebete nicht erhört werden, wie soll ich hoffen, daß
meine erhört werden? Aber der Herr hat gesagt: "Vater, ich weiß, daß du mich
allezeit hörst" (Johannes 11,42). Das ist darin begründet, daß Vater und Sohn und
Heiliger Geist eines Willens sind und Jesus niemals im Fleisch betet,
sondern immer im Geist. So bedeutet dieser priesterliche Fürbittedienst unseres
Herrn Jesus Christus für uns eine überaus starke Sicherheit. Denn wenn wir in
Sünde fallen, weiß der Herr immer einen Weg, uns da wieder herauszuholen und
nach Hause zu führen, wie den verlorenen Sohn. Das Gebet unseres Herrn gibt uns
also einen tiefen Frieden.

II. Ein weiterer Gedanke aus unserem Text: DIE WAHRE URSACHE UNSERES TODES
IST DER WILLE CHRISTI. Warum stirbt ein Gotteskind? Sterben Gotteskinder
überhaupt? Dürfen sie das eigentlich? Ja, sie dürfen es und sie werden es, und
eigentlich sollen sie sich auch darauf freuen. Wie kann geschehen, daß wir eines
Tages im Himmel sind, wo Jesus ist, und Seine Herrlichkeit sehen? Wie kann
das Gebet Jesu erhört werden, daß Er will, daß die, die der Vater Ihm gegeben
hat, auch bei Ihm sind. Das kann natürlich nur durch den Tod geschehen. Zwei
Menschen haben das Privileg gehabt, ohne den Tod den Himmel zu sehen –
Henoch und Elia. Aber selbst Jesus weiß, wie es ist zu sterben, denn Er ist
diesen Weg gegangen.

Die Erhörung des Gebetes Jesu kann also nur dadurch erfolgen, daß wir
sterben. Und wenn wir möchten, daß Jesu Gebet in Erfüllung geht, bedeutet das
letztlich, daß wir auch sterben wollen. Amen? Wir gehen dem noch ein wenig nach.
Der Vater kann das Gebet Jesu nur erhören, indem wir durch den Tod gehen.
Dieser geschieht aus unserer Sicht vielleicht durch Unfall, durch Krankheit,
durch Alter, vielleicht auch durch Krieg und Gewalt. Aber das ist nur die
Zweitursache, warum Gotteskinder sterben. Die erste Ursache für den Tod eines
Gotteskindes liegt aber darin: Der Vater erhört das Gebet Seines geliebten Sohnes,
um so Sein Bundesversprechen einzulösen, daß Er die, die Er von Ewigkeit her
dem Sohn versprochen hat, Ihm nun auch tatsächlich übereignet, damit sie da
sein können, wo auch Jesus auf ewig ist. Ein Gotteskind stirbt also nicht an
der Krankheit, sondern am Willen Gottes. Das Gebet Jesu bewirkt den Heimgang
eines Gotteskindes. Deshalb können wir sagen: "Meine Zeit steht in deinen
Händen" (Psalm 31,16).

III. Deshalb sollten wir DIE HEIMGEHENDEN NICHT AUFHALTEN. Manchmal ist zu
Beerdigungen auch der Text gelesen worden: "Halte mich nicht auf, denn der
Herr hat Gnade zu meiner Reise gegeben" (1Mose 24,56). Wir haben oft die
Neigung, Menschen aufhalten zu wollen, die dabei sind, vom Herrn zur himmlischen
Hochzeit abgeholt zu werden. Aber: Wenn Christi Gebet erhört wird, wollen wir
dann wirklich dazwischengehen und der Absicht des Herrn widerstreben,
intervenieren und Christi heiligen Willen vereiteln, Seine Sehnsucht betrüben, daß Er
einige von uns schon bei sich haben möchte? Wollen wir dem Heiland wehren zu
bekommen, was Ihm gehört, wofür Er doch den teuren Preis Seines vergossenen
Blutes gezahlt hat? Das kann nicht unser Wille sein.

Die Heimkehrenden aufhalten geschieht meines Erachtens, wenn wir eine völlig
überzogene Idee von körperlicher Heilung haben, einer Heilungstheologie
aufgesessen sind, die von der Bibel nicht gedeckt ist. Manche haben die
Vorstellung, als sei die Heilung das Allerhöchste, was ein Christ erstreben kann. Ist
das wahr? Wenn ich die gesamte Bibel lese, dann gibt es Edleres und Höheres,
als daß unser ohnehin sterbliches Knochengerüst wieder auf die Beine kommt.
Ich will das nicht zu negativ darstellen, wir werden auch die andere Seite uns
noch kurz anschauen, aber wir müssen doch klar die Grenzen sehen.

Das diesseitige Leben im Wohlstand und in Gesundheit ist für viele Christen
leider schon der Himmel, und einen anderen Himmel wollen sie eigentlich gar
nicht. Das ist tragisch. Daraus folgt manchmal ein verkrampftes Gebet um
Heilung. Dann werden manchmal Gebetsketten rund um die Uhr veranstaltet, damit ja
keine Sekunde ohne Gebet ist. Da werden Fastentorturen durchgezogen, Dämonen
ausgetrieben, geistliche Kriegsführung angesetzt und weltweite Heilungsreisen
zum Teil unter Qualen mit den Kranken durchgeführt. Und wenn dann wider
Erwarten diese Lieben doch gestorben sind, geht man manchmal sogar noch in die
Totenhalle und veranstaltet Auferstehungszeremonien, weil man dieses
verstorbene Gotteskind einfach festhalten will. Im Grunde will man nicht, daß Jesu
Gebet erhört wird: "Vater, ich will, daß die bei mir sind, die du mir gegeben
hast." So fallen wir nicht selten Jesus in den Arm und wollen Ihn aufhalten,
Seine geliebten Brautseelen, nach denen Er Sehnsucht hat, heimzuholen. Den einen
holt Er früher, den andere später. Manchmal gibt es Kummer auf beiden
Seiten. Der eine will noch hier bleiben, und der andere kann nicht begreifen, daß
er in seinem hohen Alter immer noch hier ist. Ist es nicht am Schönsten, wenn
wir Gott das alles überlassen? Deshalb laßt uns unsere Lebenslänge ganz in
Gottes Hände legen. Jesus hat gesagt: "Denn wer sein Leben erhalten will, der
wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der
wird es finden" (Matthäus 16,25). Wir haben unser Leben einfach nicht in
unserer Hand. Deshalb sage ich mit dem Psalmisten: "Meine Zeit steht in deinen
Händen" (Psalm 31,16).

Wie soll es denn nun aber sein? So wunderbar körperliche Heilung auch ist,
ist sie doch nicht die Herrlichkeit, die wir in Wahrheit suchen. Wenn ich den
Textzusammenhang der Schrift aus der Vogelperspektive ansehe, bekomme ich
eine andere Schau, dann ordnet sich auch das Thema Heilung in das Gesamte, das
Gott in Seiner Erlösung gegeben hat, ein. Heilung ist eigentlich nichts
anderes als ein zeichenhaftes Wirken Gottes, das eine Vorschau sein soll auf das,
was uns einmal erwartet, nämlich die Vollendung des ewigen Reiches Gottes.
Heilung von Krankheiten, Auferweckung von Toten ist nichts anderes, als daß Gott
vom Himmel her zeichenhaft eingreift und uns damit verkündigt: Es wird
einmal eine Zeit kommen, da wird alles Leid für immer vorbei sein. Als Jesus auf
diese Erde kam, begleiteten Ihn die Zeichen in gewaltiger Weise. Das Reich
Gottes war angebrochen. Aber es blieb immer unvollkommen. Auch Jesus hat nicht
den ganzen Nahen Osten geheilt. Da war nur einer am Teich Bethesda, der
geheilt wurde. Auch der Lazarus, den Jesus aus dem Grab geholt hatte, ist nicht
ewig lebendig geblieben. Wenn die Heilungstheologie mancher Leute richtig wäre,
hätte Lazarus nie wieder sterben dürfen, der hätte immer wieder geheilt
werden müssen. Aber irgendwann hat Gott ihn nicht mehr geheilt und ihn auch nicht
noch ein zweites Mal aus dem Grabe geholt. Am Ende ist auch er beerdigt
worden, und er blieb dem Leibe nach in seinem Grabe.

Natürlich sollen und dürfen wir um Heilung beten, wie wir das ja auch
regelmäßig und selbstverständlich tun. Aber wenn Heilung gegeben wird, dann sagt
Jesus nicht: "Seht, das ist der Himmel", sondern diese Heilung bleibt in sich
selber immer unvollkommen. Irgendwann geht es doch wieder dem Tode entgegen.
Aber es ist ein Zeichen, es ist eine Schau, es ist ein prophetisches Handeln
Gottes auf die ewige Herrlichkeit, wo absolut keine Krankheit und kein Tod,
kein Leid und keine Träne mehr sein wird (Offenbarung 21,4). Diese Heilungen
sind nichts anderes als Botschaften des Anbruches des ewigen Gottesreiches.

Was bedeutet das nun praktisch: Wie soll ich mich verhalten, wenn ich krank
bin, wenn ich eine böse Diagnose bekommen habe? Wir haben hier beides in der
Heiligen Schrift. Ihr sollt die Ältesten rufen, daß sie euch mit Öl salben,
daß sie mit euch beten und daß es besser mit euch wird (Jakobus 5,14-15). Aber
wir haben auch die andere Seite, wo Jesus uns im Vaterunser lehrt: "Dein
Wille geschehe" (Matthäus 6,10). Paulus hat dreimal gebetet (2. Korinther 12,8).
Manche Leute sagen, Paulus wäre nicht krank gewesen. Ich habe nur ein
Problem damit: Er spricht wörtlich von "Schwachheit", was man meiner Überzeugung
nach vom Grundtext her auch mit "Krankheit" übersetzen kann. Aber selbst wenn
das nicht der Fall wäre, frage ich mich: Wenn er sagt: "Ich rühme mich meiner
Schwachheit", was für eine Schwachheit könnte es denn gewesen sein, außer
einer körperlichen Schwachheit? Sollte es eine geistige Schwachheit gewesen
sein? Das können wir nicht allen Ernstes glauben. Oder war es
Glaubensschwachheit? Wie sollte er sich derer aber rühmen wollen? Natürlich war es eine
körperliche Schwachheit, vielleicht auch eine nervliche Schwachheit, das will ich
nicht ausschließen. Aber seine Schwachheit hatte definitiv mit seinem Organismus
zu tun. Wer irgend etwas anderes behauptet, sagt, daß Paulus eine geistige
oder geistliche Schwachheit gehabt hätte. Aber Paulus war nicht schwach im
Glauben und er war auch nicht geistesgestört, sondern darin war er stark.
Schwach war er am Leibe. Wie geht Paulus nun mit dieser Krankheit, mit dieser
Schwachheit um? Dreimal betet er. Und dann bekommt er eine Antwort. Gott sagt ihm:
"Laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen
mächtig" (2. Korinther 12,9). Nun mache dir keine Sorge, daß ich sage, man dürfe
nur dreimal nach vorne kommen, um sich mit Öl salben zu lassen. Nein, es wäre
verkehrt, wenn wir daraus jetzt wieder ein Prinzip oder eine Lehre ableiten
würden. Folgendes ist damit gemeint: Wir dürfen mit Sicherheit weiterbeten,
wir sollen auch weiterbeten ; dreimal und auch dreihundertmal. Aber die
Frage ist: In welchem Geist tun wir das? In welcher Weise tun wir das? Wollen
wir Gott etwas abringen? Wollen wir Seiner Absicht und Seinem Willen partout
widerstehen, wollen wir Ihm befehlen, uns nicht heimzuholen?

Ich habe einmal folgende Geschichte gehört. Ein kleines Kind wurde sehr
krank. Man hat dann gebetet, gerungen und, wie man so sagt, Gott das Kind
abgerungen; und es blieb am Leben. Hinterher wurde die Biographie dieses
Kindes eine einzige Katastrophe, daß nur Tränen und Herzeleid übrigblieben. Ich
habe solche Ereignisse des öfteren gehört, daß Menschen letzten Endes sagten:
"Hätten wir doch das Kindchen unserem himmlischen Vater überlassen. Dann wäre
es im Himmel. Aber wo es jetzt ist – wir wissen es nicht." Gott schaut
weiter, ihr Lieben. Unsere Gedanken sind so begrenzt. Aber Gott hat einen
wunderbaren Plan. Also halten wir nicht die Menschen auf, die Gott einfach zu
sich nach Hause nehmen will.

IV. Wir sollten DEN TOD NICHT VERDRÄNGEN. Jesus hat ihn doch am Kreuz
überwunden. Er ist noch da, aber er hat seinen Stachel verloren. Er ist besiegt.
Durch den Sieg Christi am Kreuz ist der Tod zu unserm Eingang zum ewigen Leben
geworden. Da wagt es dann ein Liederdichter, sogar vom "süßen Tod" zu singen.
Wie sprechen wir mit einem Bruder oder einer Schwester, die ernsthaft
erkrankt und natürlich verunsichert sind, zum Beispiel bei Krebs? Bei solchen
Nachrichten legt sich leider eine derartige Beklommenheit über den christlichen
Freundeskreis solcher Betreffenden, daß sie sie sich nicht mehr so oft melden,
weil sie nicht wissen, was sie richtig sagen sollen. Die Ursache ist
Verlegenheit. Es scheint so schwer, das Angemessene Wort zu sagen. Irgendwie ist die
gute alte Beziehung durch eine vorher nie gekannte Befangenheit gestört.
Liebe Geschwister, das ist nicht der Geist der Bibel. Das will Gott nicht haben.
Das hängt damit zusammen, weil auch wir als wiedergeborene Gotteskinder von
einer Beklemmung erfüllt sind und kein freies, offenes Verhältnis zum Sterben
haben, daß nämlich der Tod nichts anderes ist als die Erfüllung unserer
Sehnsucht, doch für immer bei Jesus zu sein.

Ich gebe zu, daß dabei unser gesellschaftliches Umfeld eine große Rolle
spielt. Wir leben ja immer noch in einem sehr großen Wohlstand. Aber ich habe
Lebensbiographien von Frauen und Männern Gottes gelesen, die in Zeiten lebten,
wo Verfolgung, Krieg und Flucht und auch früh Krankheit da war. Als die
Tuberkulose noch nicht heilbar war und teilweise Missionare schon in den Zwanzigern
in die Ewigkeit gehen mußten und die Mütter zu Tausenden ihre Babys im
Kindsbett verloren haben, hatten die Menschen ein ganz anderes Verhältnis zum Tod.
Sie haben gebetet: "Herr, laß uns auch im Leiden stark sein und Dir Ehre
erweisen." Sie sind mit offenem Visier all diesen Dingen entgegengetreten, weil
sie wußten, daß das diesseitige Leben nicht ihre Heimat war. Aufgrund der
Armut waren sie natürlich nicht so im Diesseits verhaftet wie wir. Unser Problem
ist: Wir lieben diese Weltzeit, die Welt mit ihrer Lust, weil es so schön
ist, in beheizten Häusern zu wohnen, weil es so schön ist, 70 und 80 Jahre alt
zu werden, vielleicht noch älter. Es ist so schön, in den Urlaub zu fahren,
sich schöne Kleidung zu kaufen, ein wunderbares Auto zu fahren. Das ist auch
alles gut. Das ist ja auch ein Ausdruck von Gottes Segen. Aber wenn es dazu
führt, daß wir als Christen eine so starke Diesseits-Bezogenheit haben, daß wir
mit einem sterbenden Bruder nicht mehr freimütig und voller Freude über den
Himmel reden können, weil wir gehemmt sind, dann stimmt etwas nicht mit uns.
Wir alle müssen uns da immer wieder prüfen. Laßt uns doch mit den Kranken und
Sterbenden auch über den Himmel sprechen: "Hör mal, wenn es denn Gottes
Wille ist, daß du jetzt in die Ewigkeit gehst, dann wollen wir uns gemeinsam
vorbereiten. Ich bringe dich zum Flughafen, sage dann. Versteht
ihr? Ich will sagen: Laßt uns doch unsere Heimgehenden, die Lieblinge Gottes,
die der Herr in das ewige Vaterhaus nehmen will, bis zur Grenze hinbringen.
Natürlich gibt es Tränen. Da weinen wir alle. Aber zugleich sagen wir: "Mein
Freund, mein Bruder, ich küsse dich noch einmal. Und dann sage ich dir auf
Wiedersehen. Ich komme auch bald. Ich möchte auch daheim sein."

Wir haben eine Herrlichkeit, die auf uns wartet, und wir wollen uns gar
nicht mit ihr beschäftigen? Nein, laßt uns beten, laßt uns uns gegenseitig helfen
in diesem Pilgerlauf. Schenke den Geschwistern das Gebet um Heilung. Wir
wollen uns gegenseitig stärken, uns erzählen, wie Gott auf dem Weg unserer
Wanderschaft hilft und eingreift, uns durchträgt, aber auch, wie Er uns zum
Vaterhaus führt. Dort werden wir Jesus sehen, die Engel sehen, das neue Jerusalem
und auch die Lieben, die schon dort sind. Laßt uns niemals dieses herrlichste
Kapitel, das das Evangelium uns schenkt, ausklammern. Wir würden uns selbst
betrügen. Häufig laufen wir wie verklemmte und verängstigte Hasen durch diese
Welt, anstatt wie Söhne und Töchter, Prinzessinnen und Prinzen eines ewigen
Königreiches, in dessen Reich wir erhoben sind in Herrlichkeit und Licht und
Schönheit, auf goldenen Gassen zu gehen, einzuziehen durch die Perlentore
welch ein Himmel ist der Himmel!

Ein Vorschlag für die Gesunden: Beschäftigt euch jetzt schon viel mehr mit
dem ewigen Leben. Das predige ich auch mir. Laßt uns schon in gesunden Tagen
über das Thema des Sterbens und des Leidens nachdenken, nicht in depressiver
Art oder in einem Geist der Angst. Laßt uns einfach fragen: Wie wird es sein,
wenn uns einmal eine schwere Diagnose trifft? Wenn wir einmal auf die
Intensiv-Station ins Krankenhaus müssen und nicht wissen, wie das alles ausgeht.
"Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen" (Psalm 90,12), sagt uns die
Schrift. Die Welt verdrängt das Sterben, das kann ich verstehen, denn sie hat keine
Hoffnung und sie will das Unweigerliche natürlich nicht wahrhaben. Aber wir
dürfen wissen: Wir werden eingehen durch das Tor der Herrlichkeit. Deshalb: Je
mehr wir über den Himmel in der Bibel lesen, je mehr wir Lieder singen von
unserer Hoffnung und dem ewigen Leben, von dem Hochzeitsmahl des Lammes, desto
mehr Freude kommt auf.

Wenn der Himmel unser Inhalt und unsere Erfüllung ist und Jesus selbst, dann
wird man in Krankheit keine Hemmungen haben, freimütig über die Diagnose zu
reden und sich miteinander, ob gesund oder krank, auf die Herrlichkeit von
Herzen freuen. Darum sagt der Apostel Paulus: "Christus ist mein Leben, und
Sterben ist mein Gewinn" (Philipper 1,21). An anderer Stelle sagt er: "Wir sind
aber getrost und haben viel mehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu
sein bei dem Herrn" (2. Korinther 5,8). Er hat etwas von dieser Sehnsucht
gehabt, von dieser Freude. "Ich habe Lust, abzuscheiden, um bei Christus zu sein,
was weit besser wäre" (Philipper 1,23), sagt Paulus. Unsere Herzen sollen
froh werden, wenn wir an unseren Heimgang denken. Natürlich bleibt bis zum
letzten Tage die Spannung, solange wir im Leibe sind. Wenn wir hier abscheiden,
wird der Tod für uns ein unbekanntes Territorium sein und wir erleben Trennung
und Schmerz. Und doch darf unsere Hoffnung größer sein, als unsere Trauer.
Denn wir leben im dem gewissen Vertrauen, daß Jesus Christus Krankheit und Tod
am Kreuz ein für allemal überwunden hat. Und durch diesen Glauben kann unser
Auge von ferne den Thron erblicken und den Heiland sehen. Welch eine
Herrlichkeit, Amen.

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