Gottes Liebe und das Übel?

Frage:

Gott ist die Liebe. Er ist nicht nur in der Lage zu lieben, sondern er ist die Liebe. (1. Johannes 4:8). Es heißt nicht nur, dass Gott
liebt, sondern dass Er die Liebe in Person ist. Wie kann dann die Liebe das „Übel schaffen?“


Antwort:

immer wieder dreht sich Dein Fragen um das Gottesbild. Du möchtest verständlicherweise begreifen, wie Gott ist, was er tut, warum er es tut, was ihn ausmacht usw. und Du bist damit natürlich nicht allein. Sicher bleibt festzuhalten: Mit unserer menschlichen Begrenztheit können wir Gott nicht voll begreifen und erfassen. Es gibt eigentlich keine rechten Worte, um Gott zu beschreiben. Trotzdem hat Gott natürlich versucht sich uns durch einigermaßen geeignete Worte nahezubringen, auch auf die Gefahr hin, dass die Worte unserer menschlichen Sprache natürlich begrenzt, unvollkommen und bei weitem nicht ausreichend sind, um Gottes Größe zu beschreiben. Die obige Bibelstelle aus dem 1. Johannesbrief ist sicher ein klassisches Beispiel dafür. Was ist Liebe? Zunächst mal ist es ein Gefühl. Was bedeutet es, wenn es heißt: Gott ist die Liebe? Wissen wir das wirklich in seiner ganzen Tragweite? Sicherlich nicht. Es sind weitere Worte nötig, um Gott zu beschreiben aber auch dann werden wir Gott noch immer nicht erfasst haben.

Deine Frage im Zusammenhang mit dieser Liebe: Wie kann diese Liebe Übel schaffen. Ich fasse Dein Wort „Übel“ einfach mal mit dem Begriff „Leid“ zusammen. Ich weiß nicht, ob es ein Trost für Dich ist, aber es ist eine immer wiederkehrende Frage und es ist eine sehr alte Frage. Schon immer haben sich die Menschen mit der Frage nach dem Leid beschäftigt, verbunden mit der Frage, ob Gott für dieses Leid verantwortlich ist und wenn ja, warum.
Man mag es kaum anders erwartet haben, aber die Theologen haben natürlich auch für diese Frage der Menschheit einen Fachbegriff gefunden, das Theodizee-Problem.

Vielleicht zunächst die ganz nüchternen biblischen Fakten. Die Bibel lässt keinen Zweifel daran, dass der Mensch für seine Sünden verantwortlich ist, und weil Gott eben nicht nur die Liebe in Person sondern auch die Gerechtigkeit in Person ist, ist es gerecht, wenn der Mensch von Gott gerichtet wird (werden muss).

Zurück zu Deiner Frage: Muss man Gott für das Übel und das Leid, das in der Welt geschieht (oder er selbst schickt/zulässt?) verantwortlich machen?

Wenn wir uns die Bibel anschauen, dann sehen wir insbesondere im Alten Testament: Der Mensch erlebt sowohl Leid als auch Freude als Gaben Gottes. Das Buch Prediger betont diese Erkenntnis, und in den Klageliedern Jeremias, Kapitel 3, Vers 38, wird das eindeutig gesagt. Genauso aber wird klargemacht, dass Menschen, die von Gott als Werkzeuge seines Willens gebraucht werden, für ihre unrechten Taten verantwortlich sind (Habakuk 1,12 und 2,8).

Die Frage an dieser Stelle ist ja: Ist Gott hier wirklich der Handelnde, der, der das Böse oder das Leid schickt, oder ist er nur der, der das Leid zulässt, sozusagen passiv. Meine Antwort darauf wird Dich, und möglicherweise einige andere in der Group verwundern. Meine Antwort lautet: Sowohl als auch. Beides ist bei Gott möglich.

Ja, Gott mutet den Menschen in der Welt und sogar auch seinen Kindern auch Schweres zu, so ungern, wie wir das vielleicht hören mögen. Das beste Beispiel ist wohl Paulus, der nun wirklich nicht von schweren Leidenswegen verschont geblieben ist. Mit Jesus alle Tage Sonnenschein. Es soll immer noch Prediger geben, die das fälschlicherweise verkündigen und man wundert sich dann noch, wenn die betreffenden Gläubigen irgendwann in ein tiefes Loch fallen, weil sie das Leid auch unter Christen nicht mehr einordnen können.

Die Bibel spricht hier eine ganz andere Sprache. Um bei dem Beispiel des Paulus zu bleiben: „Ich bin dreimal mit Stöcken geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf dem tiefen Meer.“ (2. Korinther 11, 25, eigentlich der ganze Abschnitt Verse 23-33). Oder man nehme das Beispiel des Stephanus. Oder nehmen wir Hebräer 11,37: „Sie sind gesteinigt, zersägt, durch das Schwert getötet worden; sie sind umhergezogen in Schafpelzen und Ziegenfellen; sie haben Mangel, Bedrängnis, Misshandlung erduldet.“

Ja, es gibt auch von Gott gesandte Leiden; ich würde sie als „Heimsuchungsleiden“ bezeichnen. Gott redet einerseits durch Gericht, um Menschen zu sich zu ziehen: „Ist etwa ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut?“ (Amos 3,6). „ ...... der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin der Herr, der dies alles tut“ (Jesaja 45,7).

Andererseits ist es nicht sein Bestreben, Unheil zu schaffen sondern in aller erster Linie möchte er die Menschen zu sich ziehen, sie zur Busse leiten: „Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Busse leitet?“ (Römer 2,4). Gottes Bestreben ist es also nicht, die Menschen zu quälen oder seine Allmacht unter Beweis zu stellen. In erster Linie möchte er Menschen retten, was mitunter nur über den Weg des Leidens geht.

Eine andere Form des Leides, welches wir zumindest im Zusammenhang mit Gott sehen müssen, bezeichne ich hier mal als „Prüfungsleiden“. Ein Beispiel dafür finden wir in der Bibel sehr eindrucksvoll in der Person des Hiob. Gott gab Satan die Erlaubnis, Hiob durch Not herauszufordern, um zu prüfen, was wirklich in seinem Herzen war. Gott war hier nicht der Ursprung des Leidens, aber er hat es zugelassen. Hiob konnte dadurch vielen Menschen zum Segen werden. Er ist bis heute eine starke Ermutigung, auch und gerade in schweren Zeiten an Gott festzuhalten.

Eine ähnliche Form des Leides könnte man als „Erziehungsleiden“ bezeichnen. In Hebräer 12,6 steht: „ Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt. Oder Offenbarung 3,19: „Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich.“

Beim „Erziehungsleiden“ handelt es sich zwar ganz eindeutig um Leiden, das bei Gott seinen Ursprung hat, aber ich finde gerade bei dieser Form des Leidens wird der Zweck und die Notwendigkeit ganz besonders deutlich. Kein Mensch, insbesondere diejenigen unter uns, die Kinder haben, würde ernsthaft bestreiten, dass eine strenge Erziehung wichtig ist und dass dazu mitunter Züchtigung unumgänglich ist. Versucht man die Züchtigung trotzdem zu umgehen (antiautoritäre Erziehung), dann kommt es zu fatalen Folgen, wie wir in unserer heutigen Gesellschaft leider sehr eindrucksvoll erleben müssen. Es ist dies eine Folge von Lieblosigkeit, denn wenn Eltern ihre Kinder wirklich lieben, dann wollen sie natürlich auch, dass etwas aus ihnen wird, wie man so schön zu sagen pflegt. Das aber geht nicht ohne Züchtigung und die ist manchmal nicht einfach zu tragen, nicht von den Kindern, aber auch nicht von den Eltern. Aber das ist Liebe. Deine Frage lautet: Wie kann Liebe Übel schaffen. Ich denke, bei diesem Beispiel kann man noch am ehesten erkennen, dass beides sehr wohl zusammen passen kann, und in diesem Fall auch zusammen passen muss.

Auch wir als seine Kinder sind in der Erziehungsschule des Vaters im Himmel. Wenn wir eigene Wege gehen, muss er da und dort auch die Methode der Züchtigung anwenden, damit wir so wie der verlorene Sohn zurückkehren. In 1, Kor. 11, 32 heißt es dazu: „Wenn wir aber von dem Herrn gerichtet werden, so werden wir gezüchtigt, damit wir nicht samt der Welt verdammt werden“. Oder noch ein Vers aus den Sprüchen, der mir in dem Zusammenhang sehr lieb ist: (Sprüche 3,12) „....wen der Herr liebt, den weist er zurecht, und hat doch Wohlgefallen an ihm wie ein Vater am Sohn.“ Natürlich dürfen wir in einer solchen Phase der Tiefe auch mal fragen: Warum? Wir dürfen aber gleichermaßen auch wissen: Wir haben trotz allem sein Wohlgefallen, wir sind trotz allem sein Kind, wir sind trotz allem von ihm geliebt.

Zurück zu meiner Dir am Anfang gegebenen Antwort: „Sowohl als auch.“ Es bleibt festzuhalten: Gott möchte uns zu sich ziehen, er möchte Gemeinschaft mit uns, er möchte, dass wir das Ziel erreichen und er erreicht dies sowohl durch Liebe und seine unendliche Güte als auch durch Not und Leid. Gott will immer unser Bestes, sei es durch Freude oder durch Leid.

Ich denke, damit ist auch die Meinung mancher Zeitgenossen widerlegt, dass Gott, indem er Leid und Unheil schickt, möglicherweise selbst böse ist.
Die Bibel sagt unzweideutig, dass Gott gut ist und von der Sünde nicht versucht werden kann (Jak 1,17), daß er Licht ist und keine Finsternis in ihm (1.Joh 1,5). Das Böse ist nicht mit Gott sondern mit Satan zu den Menschen gekommen, der Mensch ist seither der Herrschaft der Sünde und des Bösen ausgeliefert, von Geburt an, wenn er nicht die Seiten wechselt und sich der Herrschaft Gottes ausliefert. Die Bosheit Satans beginnt mit der Auflehnung gegen Gott, mit dem Hochmut und dem Wunsch, so zu sein wie Gott (siehe Hes. 28 und Jes. 14,12ff).

Vielleicht in diesem Zusammenhang noch ein paar Bemerkungen zu der hier immer wieder aufgetauchten Frage, ob Gott es bereut hat, den Menschen geschaffen zu haben. Tatsache ist, dass Gott die Geschichte der Welt und der Menschheit vorher gewusst hat und sie von Anfang an nach seinem Willen geprägt hat, nämlich so, dass aus der scheinbaren Katastrophengeschichte letztlich doch noch eine Heilsgeschichte werden wird. Schon allein die Messiasverheißungen im AT sind ein beredtes Zeugnis dafür.

Wiedereinmal kann an dieser Stelle der Vergleich Eltern - Kinder weiterhelfen. Auch bei der besten oder christlichsten Erziehung können Kinder missraten, weil sie eben nicht nur Erbanlagen ihrer Eltern, sondern eigene Persönlichkeiten (mit einem eigenen freien Willen) sind - und ja auch sein sollen! So manche Eltern haben vielleicht bereut, Kinder in die Welt gesetzt zu haben. Nur, sie konnten das - im Gegensatz zu Gott - nicht vorher wissen.

Klar ist, dass Gott keine Fehler macht. Schon vor der Erschaffung der Welt hat er sich ausgedacht, wie er uns Menschen einmal aus unserer selbstverschuldeten Trennung von Gott herausholen würde. In 1. Petrus 1,20 heißt es im Zusammenhang mit unserer Rettung durch das Blut Jesu: „Er war zuvor ersehen vor Grundlegung der Welt, aber wurde offenbar gemacht in den letzten Zeiten um euretwillen.“ Noch bevor Gott also die Welt geschaffen hatte, hatte er einen Plan, wie er einmal die Menschen, die noch gar nicht geschaffen waren, retten würde durch das Blut seines Sohnes. Das allein ist schon faszinierend. Aber noch überwältigender finde ich, dass diese Erwählung noch vor Grundlegung der Welt nicht nur für Jesus gilt, sondern auch für uns, die wir zu ihm gehören: „wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, damit wir heilig und tadellos vor ihm seien in Liebe (Epheser 1,4).

Ich weiß, dass bei Dir jetzt Alarmglocken klingeln, weil Du ja alles immer rational erklären möchtest. Natürlich stellst Du Dir jetzt die Frage: Wie kann das sein, dass wir bereits vor Schaffung der Welt erwählt waren, wo wir doch alle Menschen mit freiem Willen sind und uns natürlich auch dagegen entscheiden können? Meine Antwort darauf ist: Ich weiß es nicht. Sicherlich hängt das auch damit zusammen, dass es bei Gott keine natürlichen Begrenzungen z.B. in Form von Raum und Zeit gibt. Vielleicht merkst Du spätestens an dieser Stelle, dass wir im Reich Gottes eben nicht alles rational erklären können und auch nicht müssen. Wir dürfen die Freiheit haben, einfach zu glauben.

Bei dem Versuch, Gottes Handeln, Fühlen und Denken verstehen zu wollen, kommen wir immer wieder sehr schnell an unsere Grenzen, das spürst Du ja bei den Fragen, die dich zur Zeit umtreiben, auch immer wieder. Unsere "drei Pfund graue Masse" (Gehirn) ist eben nicht dazu geschaffen. Deshalb ist Gott so gnädig und gebraucht in seinen Selbstbeschreibungen in der Bibel Begriffe, die wir wenigstens einigermaßen nachempfinden können.

Und trotzdem: Gott bleibt der Unbegreifliche und Unfassbare. Und alle unsere Erklärungsversuche über Gott bleiben Stückwerk. Die Bibel ist uns nicht gegeben, Gott letztendlich und umfassend zu verstehen, sondern ihm zu vertrauen. Der rote Faden durch die ganze Bibel beschreibt immer wieder, wie sehr Gott die gesamte Menschheit liebt und wie sehr er darunter leidet, wenn auch nur ein Mensch von ihm getrennt bleibt.

R.L.

  Startseite