Das Entjudungsinstitut


Das Entjudungsinstitutut 1939-1945

Eisenach, Bornstraße 11: Damals war hier das Predigerseminar der Ev.-luth. Landeskirche Thüringens und der Sitz des Entjudungsinstituts. Das Predigerseminar befindet sich heute in Neudietendorf, der heutige Verwendungszweck des Gebäudes ist dem Autor des Berichtes unbekannt.
von
Heinrich W. Hebeler
A1s ich vor einigen Jahren in einer Veröffentlichung über Luther und die Juden im Kleingedruckten etwas las von einem Entjudungsinstitut in Eisenach, wollte ich das als ehemaliger Bewohner dieser Stadt nicht wahrhaben. Aber ein Besuch in Tel Aviv im Jahre 2003 mit einem sehr tief gehenden Gespräch mit einer Jüdin aus Eisenach ließ mir dann keine Ruhe, und ich machte mich auf die Spurensuche.
Die war und ist schwierig, denn es gibt zu wenig Veröffentlichungen über diesen falschen Weg der Landeskirchen. Aber es ist traurige Tatsache, dass am 6. Mai 1939 im Gasthof der Wartburg bei Eisenach ein Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben des deutschen Volkes gegründet wurde.
Ein Förderkreis mit Mitgliedern aus dem gesamten Deutschen Reich unterstützte die Arbeit finanziell. Die elf Gründer- und Trägerkirchenwaren: Altpreußen, Sachsen, Nassau-Hessen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Mecklenburg, Pfalz, Anhalt, Oldenburg, Lübeck und die neudeutsche Evangelische Kirche in Österreich; also keineswegs nur die Repräsentanten der sogenannten „Deutschen Christen". Der Sitz des Institutes war im evangelisch-lutherischen Predigerseminar in Eisenach, Bornstraße 11. In zahlreichen Arbeitskreisen waren fast 200 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter tätig, unter ihnen Professoren, Pfarrer, Lehrer, Schriftsteller, die teilweise auch aus jenen Landeskirchen stammten, die ursprünglich die Institutsgründung nicht unterstützt hatten. Hauptziel aller Veröffentlichungen war, ein neues deutsches Christentum zu begründen auf der Basis der germanischen Rasse und Religion.
Volkstestament

Bereits Anfang März 1940 liegen beachtliche Arbeitsergebnisse vor, als eine öffentliche Arbeitstagung mit 600 Teilnehmern in der Lutherstadt Wittenberg stattfand. Dort wurde als Spitzenveranstaltung in der Lutherstube ein entjudetes Neues Volkstestament übergeben mit dem Titel „Die Botschaft Gottes".
Bereits die erste Auflage umfasste 200.000 Exemplare. In ihnen ist keine Rede mehr vom „Sohn Davids", von der „Stadt Davids", vom „jüdischen Land" und vom Stammbaum Jesu. Die theologische Kritik stellte zwar eine ganze Reihe fachlicher Fehler fest, aber sogar von einem bekannten Führer der „Bekennenden Kirche" gab es ein volles Lob für dieses Machwerk. Die Sprache dieses „Volkstestamentes" war in der Tat „lobenswert", hielten sich doch die Verfasser eng an die Luthersprache. Auch die Apostelbriefe wurden neu zusammengestellt: Die Auswahl der Texte war so gehalten, dass positive Aussagen über das Judentum ausgeschieden, polemische Äußerungen aber vollständig zitiert wurden.
„Judenreines" Gesangbuch

Nach einer Fülle an Auf sätzen und Studien wurde im Juni 1941 in der Wartburgkapelle das „judenreine" Gesangbuch vorgestellt; eine Produktion der Thüringer „Deutschen Christen", die das Institut übernommen hatten. Unverzichtbare alte und vertraute Kirchenlieder, die alttestamentliche oder hebräische Worte und Wendungen enthielten, wurden durch Umdichtung „judenrein" gemacht. Übrigens hält sich bis heute ein solcher entjudeter Liedvers im Gesangbuch der Evangelischen Kirchen (sogenannte ökumenische Version). Um wegfallende Lieder zu ersetzen, wurden Neuschöpfungen aufgenommen, die häufig einen kriegsverherrlichenden Charakter hatten.
Katechismus

Schließlich gab es 1941 folgerichtig auch einen neuen judenfreien Katechismus mit dem Glaubensbuch „Deutsche mit Gott". Der Mitautor pries es am 25. September 1941 den evangelischen Religionslehrern und der deutschen Öffentlichkeit an wie ein Kriegsberichterstatter: „ Unser Glaubensbuch ,Deutsche mit Gott' ist in lebendiger Gemeinschaftsarbeit erwachsen und in blutvoller Verbundenheit mit dem großdeutschen Lebens- und Schicksalskampf entstanden, mit jenem Kampf, in dem sich erweist, dass Deutsche mit Gott den Glauben haben dürfen: Gott mit uns!"
Dazu musste freilich ein neues Glaubensbekenntnis verfasst werden; die 10 Gebote wurden ersetzt durch die Neuschöpfung von 12 Geboten. So wurde beispielsweise im Gebot 11 gefordert: Ehre Führer und Meister!

Weitere große überregionale Arbeitstagungen fanden statt in Eisenach 1941 und in Nürnberg 1942. Das Institut konnte sogar seine Arbeit international ausweiten, denn 1942 wurde eine Zweigstelle in Rumänien eröffnet, und es gab eine enge Zusammenarbeit mit schwedischen Wissenschaftlern an der Universität Lund.

Kurz vor Kriegsende erscheint die letzte Veröffentlichung dieses Institutes, eine Denkschrift mit 10 Seiten Umfang. Sie ist eine unverschämte Rechtfertigung des menschenverachtenden und gotteslästerlichen Tuns und widmet sich sogar noch der Frage der Umorganisation des bisherigen Institutes; man wollte weiterarbeiten.

Es ist erschütternd zu erfahren, dass die führenden Mitarbeiter dieser unseligen Einrichtung bald
nach Kriegsende - im Osten und im Westen - wieder an maßgeblichen Stellen innerhalb der Kirche
zu finden waren; für kaum einen Institutsmitarbeiter gab es einen Karriereknick. So durften sie als
Professoren weiter Studierende unterrichten, einer erhielt sogar das Bundesverdienstkreuz.

So bleibt das Entjudungsinstitut ein dunkles Kapitel der deutschen Kirchengeschichte, es ist nur in Teilbereichen aufgearbeitet. Dabei hätten doch die Christen die Möglichkeit der Aufarbeitung historischer Schuld: Erkennen, bekennen, bereuen, Buße tun. -

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