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Warum befinden sich alle Juden unter dem Zorn Gottes? a. weil sie als Nation Christus verworfen haben oder b. weil keiner das ganze Gesetz eingehalten hatte oder c. weil Israel mit Blindheit geschlagen wurde oder d. weil sie der falschen Religion anhingen? +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ In der Frage wird die Behauptung aufgestellt, dass sich alle Juden unter Gottes Zorn befänden. Darauf möchte ich zunächst eingehen, bevor ich zu den angesprochenen Gründen für Gottes Gericht biblisch Stellung nehme. (1) Sind die Juden verloren unter Gottes Zorn? Zuallererst sieht die Bibel die Juden als Menschen, die Gottes Rettung notwendig haben, zum zweiten ist das Volk Israel - als eine Ganzheit - Werkzeug und Zeuge Gottes, mit dem Gott in der Geschichte handelt. Die Bibel lehrt nicht, dass Juden - weil sie Christus gekreuzigt hätten - generell aus dem Heil ausgeschlossen sind. Gegen diesen Gedanken nimmt Paulus ausführlich im Römerbrief Stellung. Auch - und gerade - Juden steht die Tür zum Heil offen, dafür sind Petrus und Paulus beste Beweise - was Paulus bezüglich seiner eigenen Person auch explizit beschreibt (Römer 11,1). Aus Gottes Gerichtsaktivitäten am Volk Israel ist nicht zu schlussfolgern, dass kein Jude mehr Rettung erwarten dürfe. Paulus zeigt eine andere Perspektive auf: er sieht Gottes Heilsplan unter dem Gesichtspunkt der Gesamtheit der Menschen. Alle Menschen stehen unter der Macht und den Folgen der Sünde, Juden ebenso wie Nichtjuden (Römer 1), und Gottes Zorn träfe alle Menschen, wenn nicht der Retter Jesus gekommen wäre und Versöhnung angeboten hätte. Dieses gilt - wie Paulus immer wieder deutlich betont - für Juden und Nichtjuden gleichermaßen, denn es gibt vor Gott kein Ansehen der Person (Römer 2,11). Weder der Nichtjude noch der Jude kann sich entschuldigen, ein Mensch wird ohne Gottes Erlösung verloren gehen - mit oder ohne Gesetz, mit oder ohne Beschneidung. Haben wir Juden einen Vorzug? Gar keinen. Denn wir haben soeben bewiesen, dass alle, Juden wie Griechen, unter der Sünde sind. Römer 3,9 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die da glauben. Denn hier ist kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Jesus Christus geschehen ist. Römer 3,22-24 Und für alle - Juden wie Nichtjuden - gilt, dass sie ausschließlich durch Jesus Christus gerettet und gerecht gesprochen werden. Eine Sonderstellung der Juden ist weder bezüglich der Rettung noch für den Zorn Gottes zu sehen. Auch wenn die Juden in der Geschichte in besonderer Weise einen Vorzug haben, in dem ihnen vieles gegeben ist (Gottes heiliges Gesetz, Gottes Wort, Prophetien, Gottesdienst und Verheißungen): nur der Glaube an Jesus Christus kann retten (Römer 10,1-13). Und gerade darum ringt Paulus - wie vorher der Messias selbst. Jesus klagt über Jerusalem, weil er seine Volksgenossen liebt (Matthäus 23,37ff), Paulus kämpft ebenfalls um seine "Stammverwanden nach dem Fleisch" und wünscht sich sehnlichst ihr Heil (Römer 9,2-3). Wären Juden von Gottes Rettungsplan ausgeschlossen, bräuchte Paulus diese Worte nicht zu schreiben. Er möchte, dass gerade ihnen die Augen für die gute Nachricht der Rettung geöffnet werden, sie seine Botschaft verstehen und annehmen. Paulus widerlegt die Gedanken an ein abgeschlossenes Zornesurteil über die Juden, indem er den schon im Alten Testament verheißenen gläubigen Rest beschreibt und deutlich auf ein Einsetzen der "ausgerissenen Zweige" in den Ölbaum hinweist. Juden sind nicht für ewig zur Seite gestellt - im Gegenteil, sie können wieder in den Ölbaum Gottes eingesetzt werden (Römer 11,17-24). Somit kann man den Gedanken, dass ein spezieller Zorn Gottes über den Juden schwebt, weil sie Christus gekreuzigt hätten, biblisch nicht legitimieren. Solange ein Jude jedoch nicht an Christus glaubt, steht er der Rettung ebenso fern wie jeder andere Mensch, der Christus ablehnt. (2) Gottes Zorn und Israel Die Bibel vermittelt uns aber auch Gottes Handeln am Volk Israel als Ganzheit, als eine Körperschaft, als sein spezielles Werkzeug innerhalb der Geschichte. Und in dieser sehen wir sowohl Gnaden- als auch Gerichtshandeln an Israel - besonders zu Zeiten des Alten Testaments. Die Berufung der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob und der Nachkommen (Volk Israel) ist Ergebnis von Gottes konkretem Eingreifen in die Weltgeschichte. Gottes Plan ist Rettung und Erlösung für die Menschheit, Versöhnung, Zurechtbringung und Gerechtigkeit. Deshalb gibt sich Gott in seinem Willen zu erkennen und greift in die Menschheitsgeschichte ein, bereitet die Erlösung vor. Deshalb erwählt er sich zuerst einzelne Menschen, dann ein ganzes Volk, um schließlich den Erlöser aller Menschen hervor zu bringen. An Israel zeigt sich Gott als Gesetzgeber, als Heiliger, als Herrscher, als Erlöser etc. Und Gottes Handeln an und durch Israel hat schließlich auch einen bildhaften Charakter, sollte für uns heute Vorbild und Warnung sein, als Wegweiser hin zu Gott dienen (siehe z.B. 1.Korinther 10,11). Die Klagen Jesu über sein Volk Das Wesentliche über Gottes Zorn bezüglich Israel erfahren wir aus dem Alten Testament. Gott rechnet auch in Israel mit Schuld und dergleichen ab, wir erfahren im ersten Teil der Bibel sehr viel über Gottes Gerichtshandeln und die Gründe seines Zorns. Auch Jesus beklagt, dass Israel sich nicht hat zurechtbringen lassen wollen (Matthäus 23,27): · Sie trugen nicht die Frucht, die zu erwarten gewesen wäre (Matthäus 21,18ff) · Sie waren dem Herrn des Weinbergs nicht treu und nicht gehorsam (Matthäus 21,28-32) · Sie achteten nicht auf Gottes Weisungen, Richtlinien, Willen und Wort · Sie töteten die Propheten und sogar den Sohn des "Hausherrn" (Matthäus 21,33-46) · Sie schlugen die Einladung zum Hochzeitsfest des Königs aus (Matthäus 22,1-14). Die Schuld des Volkes und seiner Führer Im Alten Testament gibt es einige Abschnitte, die sehr konkret die Gründe für Gottes Gerichtswirken darlegen. In 2.Könige 17ff wird beschrieben, dass sich die Israeliten gegen Gott versündigt hatten, indem sie · Gottes Weisungen missachtet haben und den Satzungen der anderen Völker gefolgt sind · das Recht Gottes beugten, Unrecht aufrichteten und praktizierten · andere Götter und deren religiöses System angebetet und ihnen gedient hatten · Gott ungehorsam und untreu waren, ihm nicht folgten und nicht vertrauten · Gottes Gebote und seinen Bund mit ihnen verachteten und brachen / verließen · sogar okkulte Praktiken vollzogen und sich somit offen in Satans Hand begaben Diese Sünden führten zum Untergang des Nordreiches Israel. In 2.Könige 21 finden wir Ähnliches: Gottes Missfallen an den Königen Judas wird verglichen mit seinem Zorn über die Schuld der Könige Israels. Die Hinwendung zu anderen Göttern und Religionen, das praktizieren der "greulichen Sitten", das Abwenden von Gottes heiligem Willen, Ungehorsam, Untreue, Bundesbruch sind die immer wiederkehrenden Argumente. Besonders unter dem Bild der Untreue wird der Bruch der Beziehung Gott - Israel beschrieben. Schon das Alte Testament berichtet bezüglich des Volkes Israel deutlich das, was Paulus später bezüglich aller Menschen herausstellt: Sünde trennt Israel bzw. den Menschen von Gott, ist Ursache für Gottes Zorn und sein Gericht. Doch gerade hier verheißt Gott Rettung: Wenn eurer Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden... Jesaja 1,18 Gott wirkte immer wieder in sein Volk hinein, um es zur Umkehr zu bewegen, doch immer wieder neu verweigerte sich das Volk. So konnte Gottes Zorn nicht aufgehalten werden und brach mit allerlei Gerichten über Israel und die Juden hinein. Gottes Angebot, umzukehren, Rettung und Heil zu erfahren steht jedoch noch immer. Die Mahnungen der Propheten Auch die Propheten führen Gründe für Gottes Zorn (nicht allein über Israel, sondern über andere Völker und Menschen) auf: · Sie vergaßen Gott (Jesaja 17,10) · Sie verachteten Gott (Jeremia 5,11) und hörten nicht auf ihn (Hosea 9,17) · Sie erhoben sich gegen Gott (Jesaja 14,14-15) und lehnten sich auf (Hosea 8,1) · Sie entweihten die Erde (Jesaja 24,5) und den Namen Gottes (Jeremia 34,16) · Sie übertraten Gottes Gesetz (Jesaja 24,5) und Recht (Jeremia 8,7) · Sie verwarfen Gottes Ordnungen (Hesekiel 5,6) · Sie brachen Gottes Bund (Jesaja 24,5) · Sie verließen sich auf Götzen statt auf den lebendigen Gott (Jesaja 42,17) · Sie ergaben sich anderen Göttern und tauschten Gottes Herrlichkeit gegen die toten Götzen ein (Jeremia 1,16 und Jeremia 2,11) · Sie waren abtrünnig, verkehrt, untreu (Jesaja 57,3-4; Jeremia 3,6ff) · Sie waren böse, voller Verderben (Jesaja 59,7) · Sie waren voller Frevel und Gewalt, Lüge, Verleumdung (Jeremia 6,7 und Jeremia 9,1ff) · Sie hatten ein verstocktes, böses, stolzes Herz (Jeremia 18,12-12) · Sie wollten Gott nicht hören (Hesekiel 2,7) (3) Rettung oder Zorn? Wie wir bei Paulus gesehen haben, stehen alle Menschen - aus Israel und jeder anderen Nation - unter der Sünde und ihren Folgen. Aber allen gilt gleichermaßen Gottes Rettungswerk. Wer nicht umkehrt und nicht an Jesus Christus glaubt, bleibt unter Gericht und Zorn, wer aber Jesus Christus als seinen Herrn und Erlöser annimmt, der wird gerettet. So gilt Gottes Heilsplan speziell für Israel (wie Paulus in Römer 11 darlegt) aber auch für alle Menschen: So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe. So kehrt nun um von euren bösen Wegen ... Jeremia 33,11 Suchet mich, so werdet ihr leben ... Amos 5,6 |